Wir freuen uns, Ihnen den ersten Beitrag im „Compliance focus“ zum Thema Kartellrecht zu präsentieren. Weitere Artikel zu verschiedenen Themen aus dem Bereich Compliance werden zukünftig folgen.
Unter Einbeziehung der Studie „Wie Compliance-Maßnahmen Kartellrechtsverstöße verhindern und zum Unternehmenserfolg beitragen können“ der Justus-Liebig-Universität Gießen aus dem Jahr 2014 möchten wir Ihnen einige Aspekte im Hinblick auf Compliance und Kartellrechtsverstöße näher darstellen.
Kartellrechts-Compliance
Kartelle und Fusionen sind für Unternehmen offenbar so interessant, weil sie den lästigen Wettbewerb verhindern. Allerdings gehen die beteiligten Manager hohe Risiken ein und gefährden ihre Firmen. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht neue Meldungen über illegale Preisabsprachen zulasten der Kunden oder des Unternehmens bekannt werden. Im Jahr 2013 verhängte das Deutsche Kartellamt Bußgelder in Höhe von:
- 338 Mio. Euro gegen Wursthersteller
- 338 Mio. Euro gegen Bierbrauer
- 280 Mio. Euro gegen Zuckerhersteller
- 250 Mio. Euro gegen Flüssiggasunternehmen
- 232 Mio. Euro gegen Schienenhersteller
Quelle: Publikation: „Erfolgreicher Einsatz für Wirtschaft und Verbraucher“ / Bundeskartellamt Juli 2014
Aktuell muss ein Manager seinem Ex-Unternehmen nicht das Bußgeld ersetzen, das die Kartellbehörde wegen Preisabsprachen verhängt hatte.
Die Klage von Thyssen-Krupp gegen einen ehemaligen Mitarbeiter zählt vermutlich zu den höchsten Schadensersatzforderungen, die ein Unternehmen vor einem deutschen Arbeitsgericht verlangt hatte. Mit dem größten Teil der 291-Millionen-Euro-Klage ist der Konzern jedoch in zweiter Instanz gescheitert.
Das Bußgeld, welches das Bundeskartellamt gegenüber einer Gesellschaft des Thyssen-Krupp-Konzerns verhängt hatte, ist vom ehemaligen Mitarbeiter grundsätzlich nicht zu verlangen. Das entschied nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) Ende Januar 2015 und wies die Klage über stolze 191 Millionen Euro ab. Eine Entscheidung zu weiteren 100 Millionen Euro steht aber noch aus.
Dies zeigt überaus deutlich Sinn und Nutzen eines Compliance Management Systems (CMS) mit der unbedingten Integration von kartellrechtlichen Grundzügen und Leitlinien.
Gründe zur Einführung eines Compliance Management Systems (CMS)
Ein klarer und anhaltender Trend zur Einführung von Compliance Management Systemen (CMS) zeichnet sich seit dem Jahr 2005 ab. Dabei lassen sich fünf Gründe zur Einführung eines CMS identifizieren:
- Durch CMS soll die Unternehmensreputation gegenüber einer Vielzahl von Stakeholdern (z.B. Kapitalgeber, Arbeitnehmer, Kunden, Politik) verbessert werden.
- Die Notwendigkeit zur Einführung wird aus gesetzlichen und politischen Anforderungen abgeleitet (z.B. Corporate Governance Codices, börsen- und kapitalmarktrechtliche Vorschriften, Strafgesetze, z.B. zur Korruptionsvermeidung, branchenspezifische Regelungen, z.B. im Bankensektor).
- Einzelne rechtlich selbständige Tochtergesellschaften führen CMS im Rahmen einer allgemeinen Konzernstrategie v.a. bei einer Vorgabe durch börsennotierte Muttergesellschaften ein.
- Auch die Vermeidung von Haftungsrisiken für Vorstandsmitglieder stellt eine entscheidende Motivation für die Einführung von CMS dar.
- Möglicherweise ist auch ein allgemeiner Trend zur Einführung von CMS erkennbar. Eigene Verstöße gegen (kartell-)rechtliche Vorgaben stellen häufig einen
CMS vs. Kartellrechts-Compliance
Die Studie zeigt auf, dass das Vorhandensein eines CMS nicht gleichbedeutend mit Maßnahmen der kartellrechtlichen Compliance (z.B. Risikoidentifikation, -beurteilung und -eindämmung) ist. So werden entsprechende Maßnahmen mitunter durchgeführt, ohne sie in ein größeres Compliance-Programm einzuordnen.
Andererseits führen Unternehmen trotz des Vorhandenseins eines CMS nicht notwendigerweise kartellrechtliche Compliance-Maßnahmen durch. Dies legt nahe, dass das bloße Vorhandensein eines CMS nicht zwangsläufig aussagekräftig hinsichtlich seiner Wirksamkeit zur Prävention von Verstößen in einzelnen Rechtsbereichen ist.
Kartellrechts-Compliance im Unternehmen
In der Studie zeigt sich, dass zwar rund 80% der Unternehmen angeben, Maßnahmen zur Risikoidentifikation und Risikoeindämmung durchzuführen. Allerdings werden einige wesentliche Risikofaktoren für Verstöße gegen das Kartellverbot entweder als wenig relevant erachtet, oder sie sind noch nicht in das Blickfeld der Unternehmen geraten.
So sehen zwar mehr als 80% der Befragten eine unzureichende Kenntnis kartellrechtlicher Vorschriften als Risikofaktor an. Nachfrage- oder Gewinnänderungen, Markteintritte oder Importkonkurrenz werden jedoch nur von weniger als 40% der Befragten zu den Risikofaktoren gezählt.
Gefahrenfaktor Mitarbeiter
Betrachtet man die Faktoren näher, die von den befragten Unternehmen als Risiko für Verstöße gegen das Kartellverbot identifiziert wurden, so ist vor allem eine mangelhafte Information der Mitarbeiter zu nennen. Mehr als 80% der Teilnehmer führen fehlendes Wissen von Mitarbeitern über das Kartellrecht sowie die Konsequenzen von Verstößen oder eine Unterschätzung der Aufdeckungswahrscheinlichkeit durch Wettbewerbsbehörden als Risikofaktoren an. Weitere Risikofaktoren wie
- Änderungen im Bereich Angebot und Nachfrage
- Änderungen im Betriebsumfeld
- Änderungen im direkten Konkurrenzumfeld
- Änderungen im Bereich Import / Export
- Änderungen im Bereich Umsatz und Gewinn
werden als teils deutlich schwächer eingeschätzt.
Allein Insolvenzrisiken wird von 50% der Studienteilnehmer eine Bedeutung als Risikofaktor beigemessen. Betrachtet man die praxisorientierten Compliance-Risiken, so zeigt sich ein deutlicher Nachholbedarf im Hinblick auf eine Verbesserung bestehender oder zukünftiger Compliance-Schulung im Unternehmen.
Genau dies gilt auch bei der Definition im Segment der Mitarbeiterführung und bei der Zielsetzung interner Zielvorgaben für die Mitarbeiter. 75% der Befragungsteilnehmer sehen ein Risiko für Verstöße gegen das Kartellverbot auch im Bestehen von ambitionierten Zielvorgaben (z.B. Absatz-, Umsatz- oder Gewinnziele) durch die Geschäftsführung. Es zeigt sich deutlich, dass hier die Geschäftsführung oder der Aufsichtsrat durch den Tone of the Top den Mitarbeitern ein regelkonformes Compliance im täglichen Aufgabenbereich vermitteln muss.
Risikobekämpfung
Die Mehrheit der Unternehmen, die über ein kartellrechtliches CMS verfügen, gaben an, aktiv nach kartellrechtswidrigem Verhalten zu suchen (73%; z.B. interne Revision) und solche Verhaltensweisen zu sanktionieren (88%; z.B. Abmahnung oder Kündigung). Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass die Sanktionsmaßnahmen mitunter sehr vielfältig und wenig formalisiert sind, wodurch ihre Abschreckungswirkung reduziert wird.
Gleichermaßen zeigt sich eine große Maßnahmenvielfalt bei der aktiven Suche von Gefahrenfaktoren. Diese kann eigenständig durchgeführt werden oder in andere Audits integriert sein. Eine Untersuchung kann anlassbezogen oder regelmäßig, überraschend oder zu bekannten Zeitpunkten erfolgen.
Auch die Komponenten der Prüfungen im Bereich Compliance und Kartellrecht, wie die Überprüfung von Verträgen oder Protokollen, oder Gespräche mit den einzelnen Mitarbeitern verschiedener Abteilungen, sind sehr vielfältig. In diesem Zusammenhang zeigt sich deutlich ein Bedarf, best practices zu identifizieren, um unternehmensintern sowohl die Aufdeckung als auch die Sanktionierung weiter zu systematisieren.
Korruptionsbekämpfung
Deutschland hatte bislang nicht die Anti-Korruptions-Initiative der UNO unterstützt. Nun wird aktuell die Korruptionsbekämpfung verstärkt. Am 21.01.2015 hat die Bundesregierung den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption beschlossen. Es handelt sich um ein Artikelgesetz, mit dem im Wesentlichen das Strafgesetzbuch geändert wird.
Erweitert wird die Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB). Bisher war strafbar, wenn mit der Bestechung eine unlautere Bevorzugung im Wettbewerb erkauft werden sollte. Nun sind auch die Fälle strafbar, in denen keine Wettbewerbsverzerrung eingetreten ist, sondern eine Verletzung der Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn vorliegt.
Umsetzung in der Praxis
Die hier dargestellten Gefahren und Problematiken im Segment Kartellrechts-Compliance weisen auf die Existenz von Effektivitätspotentialen in der Ausgestaltung des internen CMS hin. Hier sollten in der Zukunft die folgenden Punkte und Maßnahmen noch deutlich stärkere Beachtung finden:
- Risikofaktoren im Wettbewerbsumfeld
- Diskussion der Entscheidungszentralisierung
- Konkretisierung und Kommunikation der Sanktionsmaßnahmen
- Identifikation von best practices bei der aktiven Suche nach Verstößen
Conclusion
Betrachtet man die sich gerade in den letzten Jahren durch die Nutzung des Internets geänderte und globale Arbeitsweise innerhalb der Unternehmen, so ist die Einführung und Entwicklung der spezifischen Instrumentarien im Segment Compliance und Kartellrecht eine Herausforderung für jedes Unternehmen, gleich welcher Branche oder Unternehmensgröße.
Auch das Argument, ein Compliance Management System (CMS) erhöhe die Unternehmensreputation, ist für jedes Unternehmen im Hinblick auf den zukünftigen Erfolg und die Positionierung am Markt von höchster Relevanz. Hier stellt sich die Frage, gegenüber welchen Zielgruppen (z.B. Kapitalgebern, Arbeitnehmern, Kunden) die Reputation erhöht werden soll, aus welchen Informationsunvollkommenheiten sich der Bedarf eines solchen Qualitätssignals speist, und wie ein solches Signal im Idealfall aussehen sollte.
Hinsichtlich einzelner Kundengruppen (private Abnehmer, mittlere Geschäftskunden, Großkunden) und Absatzmodi (Einzelhandel, Großhandel oder Ausschreibungen) sollte jedes Unternehmen für sich individuell analysieren, wie wichtig solche Reputationssignale generell sind, und wie sie bestmöglich, zum Beispiel durch eine Zertifizierung, nach außen hin dargestellt werden können.
Quellenangaben:
Veröffentlichung: „Erfolgreicher Einsatz für Wirtschaft und Verbraucher“ / Bundeskartellamt Juli 2014
Veröffentlichung: „Wie Compliance-Maßnahmen Kartellrechtsverstöße verhindern und zum Unternehmenserfolg beitragen können“ / Justus-Liebig-Universität Gießen 2014 (Prof. Dr. Georg Götz, Daniel Herold, M.Sc. Dr. Johannes Paha)
Grafiken: Statistische Angaben zum Kartellrecht / Europäische Kommission, Brüssel Dezember 2014