Compliance Officer und KI: Heute – Morgen – Übermorgen

Prolog

1956: Die Geschichte beginnt: Der Begriff „KI“ entsteht.

Im Sommer 1956 treffen sich Wissenschaftler zu einer Konferenz am Dartmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire. Sie sind der Ansicht, dass Aspekte des Lernens sowie andere Merkmale der menschlichen Intelligenz von Maschinen simuliert werden können. Der Programmierer John McCarthy schlägt dafür den Begriff „Künstliche Intelligenz“ vor.

 

Eine aktuelle Compliance-Studie aus dem Jahr 2023 zeigt: Nein, die künstliche KI wird den menschlichen Compliance Officer nicht ersetzen können, aber die Arbeitsaufgaben im Bereich Compliance in den nächsten Jahren deutlich beeinflussen. In diesem Beitrag finden Sie die aktuellen Ergebnisse dieser Befragung, doch zu Beginn ein kurzer Einstieg in die Thematik der künstlichen Intelligenz (KI).

 

KI: Eine kurze Definition

Künstliche Intelligenz (KI) ist die Intelligenz von Maschinen oder Software, im Gegensatz zur Intelligenz von Menschen. Sie ist auch das Fachgebiet der Informatik, das sich mit der Entwicklung und Erforschung intelligenter Maschinen befasst. Der Begriff „KI“ kann sich auch auf die Maschinen, zum Beispiel auf einen Roboter oder Androiden, selbst beziehen.

 

Die KI-Technologie hat sich in der Industrie, in der Regierung und in der Wissenschaft in den letzten Jahren sehr weit verbreitet. Einige bekannte Anwendungen sind u.a.:

  • Internet-Suchmaschinen (Google / Bing)
  • Empfehlungssysteme (verwendet von YouTube, Amazon und Netflix)
  • das Verstehen / Übersetzung menschlicher Sprache (Siri / Alexa)
  • selbstfahrende Autos (Waymo von Google / Cruise von General Motors)
  • generative oder kreative Werkzeuge (ChatGPT / KI-Kunst)
  • strategische Spiele (Schach / Go).

Allgemeine Intelligenz, das heißt, die Fähigkeit, ein beliebiges Problem oder eine Aufgabenstellung zu lösen, gehört zu den primären Zielen der künstlichen Intelligenz.

 

KI und Compliance im Unternehmen

In jedem Unternehmen, gleich welcher Branche und Größe, wird die Menge der Daten, die täglich verarbeitet werden müssen, immer größer. Was früher Tage und bis zu Wochen und Monate dauern konnte, erledigt heute die KI in Sekunden.

Das entlastet Mitarbeiter, beschleunigt und optimiert interne Prozesse und spart Zeit bei Entscheidungsfindungen oder der Einschätzung von Risiken. Selbstverständlich beinhaltet dies auch die Aufgaben der Compliance-Abteilung im Unternehmen und kann nachhaltig den Compliance Officer in seiner Arbeit und bei seinen Aufgaben entlasten.

 

Wo kann KI der Compliance helfen?

Bereits jetzt können KI-Instrumentarien und spezielle Softwaretools in den nachfolgenden Beispielen eingesetzt werden:

  • Hinweise auf Compliance-Unregelmäßigkeiten und Verstöße im Unternehmen, zum Beispiel bei Betrugsverstößen oder Geldwäsche
  • Datensammlung und Datenverarbeitung zur Optimierung des Risikomanagementsystem (RMS) und der Compliance-Risiko-Analyse durch Sammlung und Analyse von internen und externen Datenquellen
  • Deutliche Zeitminimierung für den Compliance Officer bei der Durchsicht von Texten wie juristischen Dokumenten und Gesetzestexten, Compliance-Vorschriften, nationalen und internationalen Standards und Vorschriften
  • Erreichbarkeit und Kommunikation für Mitarbeiter bei Rückfragen im Compliance-Umfeld durch die Nutzung von Chatbots wie zum Beispiel ChatGPT (OpenAI) oder LaMDA – Language Model for Dialogue Applications (Google LLC).

 

KI und Compliance: Aktuelle Studie aus 2023

Wie sehen heute die Compliance-Mitarbeiter die momentane und zukünftige Situation von Compliance-Beauftragten im Hinblick auf KI? Nachfolgend hierzu ein Überblick und die Key Findings einer aktuellen Studie (Mai / Juni 2023) der EQS Group AG, bei der über 200 Mitarbeiter aus dem Compliance-Bereich in Deutschland, Österreich und Luxemburg befragt wurden.

Welche Auswirkungen sind dies bereits heute in der Compliance?

  • Generelle Auseinandersetzung mit der Thematik aus Compliance-Sicht
  • Richtlinie über den verantwortungsvollen Umgang mit KI-Tools
  • Restriktionen bzgl. der Weitergabe von Daten
  • Informationsveranstaltungen
  • Prüfung auf Datenschutz und Informationssicherheit
  • Awareness-Schulung für Mitarbeitende
  • Rechtliche Beurteilung des Spannungsfelds „Vorteile vom Einsatz von KI vs. DSGVO und Geschäftsgeheimnisgesetz“
  • Hinterfragen der Datenverarbeitung
  • Interne Hinweise auf Beachtung der Vertraulichkeit von bestimmten Informationen
  • Erstellung von KI-Ethikregeln
  • Risikoanalyse

Wofür wurden KI-Tools eingesetzt?

74,2% für Kommunikation

40,4% für Allgemeine Recherche

7,9% für Screening Prozesse

 

Warum wurden KI-Tools nicht eingesetzt?

54,7% wegen Vorbehalten beim Datenschutz / Datensicherheit

35,2% aus zeitlichen Gründen („Keine Zeit“)

18,0% wegen ethischer Vorbehalte

14,1% da kein erkennbarer Nutzen erkennbar ist

28,2% aus anderen Gründen („Ich weiß nicht“)

Hier zeigt sich, dass Compliance und KI in der Zukunft ein sehr gravierendes Thema für Compliance Officer sein wird. Für 85% der Compliance Officer ist es wichtig, sich über die Technologie und die Auswirkungen von KI auf die Compliance jetzt und in der Zukunft auf dem Laufenden zu halten.

Es müssen in der nahen Zukunft zwingend Regularien im Compliance-Bereich erarbeitet und in das bestehende Regelwerk eingearbeitet werden. Ausdrücklich gilt dies nicht nur für den organisatorischen Bereich, zum Beispiel für Mitarbeiter oder Lieferanten sowie die Kundenstruktur, sondern knapp 80% der Compliance-Beauftragten sehen diese auch zwingend für den ethischen Aspekt im unternehmerischen Umfeld.

Nein, die KI wird kein Ersatz für die berufliche Zukunft des Compliance Officers!

 

Zwar stimmen knapp 70% der befragten Compliance-Fachkräfte der Einschätzung zu, dass die KI den täglichen Arbeitsprozess im Unternehmen erheblich beeinflussen und verändern wird, doch die Gefahr des kompletten Ersatzes für den Menschen durch die KI sehen die Compliance-Fachkräfte nicht.

 

Daher ist das Berufsbild des Chief Compliance Officers gesucht und die Bedeutung und Ausbildung im Compliance-Bereich wird in den nächsten Jahren noch deutlicher ansteigen als bisher – in allen Unternehmen, gleich welcher Größe und aus welcher Branche, wächst der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften für diesen Bereich.

 

Informationen zu unseren Compliance-Ausbildungen finden Sie hier:

Certified Compliance Officer

Certified Chief Compliance Officer

Compliance-Spezialisierungen

Certified ESG Compliance Officer

Certified Export Compliance Officer

Certified Tax Compliance Officer

Certified IT Compliance Officer

 

Rückblick:

Das Thema KI und Unternehmen im Zusammenhang mit Compliance finden sie ausführlich auch in diesen älteren Blogbeiträgen, die aber an Aktualität nichts verloren haben:

Compliance und Konzerne

https://www.wirtschaftscampus.de/compliance-focus/2018/02/

Compliance und Ethik-Leitlinien

https://www.wirtschaftscampus.de/compliance-focus/2019/07/

 

Epilog:

„Nachdem wir das Feuer erfunden hatten, haben wir uns ein paar Mal dumm angestellt und dann den Feuerlöscher erfunden. Bei mächtigeren Technologien wie hoch entwickelter KI sollten wir uns vorher Gedanken machen und große Mühe geben, gleich alles richtig zu machen. Denn womöglich haben wir nur diese eine Chance.“

Stephen Hawking (* 8. Januar 1942 in Oxford, England; † 14. März 2018) – britischer theoretischer Physiker und Astrophysiker

Alles, was Unternehmen über Hinweisgeberschutz nach HinSchG und LkSG wissen müssen

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Hintergrund und aktueller Stand des Gesetzes

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist ein neues Gesetz, das darauf abzielt, Hinweisgeber, auch bekannt als Whistleblower, effektiv zu schützen und sie dazu zu ermutigen, Missstände in Unternehmen aufzudecken. Es wurde am 2. Juli 2023 in Kraft gesetzt und verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, ein internes Hinweisgebersystem einzurichten. Kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten haben eine Schonfrist bis zum 17. Dezember 2023.

Wer kann als Hinweisgeber gelten?

Das HinSchG schützt eine breite Palette von Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangen und diese melden. Dazu gehören nicht nur aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, sondern auch Stellenbewerber, Praktikanten, Leiharbeitnehmer, Selbstständige, Lieferanten, Anteilseigner und Personen in Leitungsgremien. Es können auch Personen geschützt werden, die die Hinweisgeber unterstützen oder Gegenstand der Meldung sind.

Welche Verstöße können gemeldet werden?

Das HinSchG umfasst verschiedene Arten von Verstößen im beruflichen Kontext, die gemeldet werden können. Dazu gehören Verstöße gegen Strafvorschriften, Ordnungswidrigkeiten, die mit Bußgeldern bedroht sind und dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder den Rechten von Arbeitnehmern dienen, sowie Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, die zur Umsetzung europäischer Regelungen getroffen wurden. Auch Äußerungen von Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen, können gemeldet werden.

Welche Maßnahmen müssen Unternehmen ergreifen?

Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten müssen interne Meldekanäle einrichten, die es den Hinweisgebern ermöglichen, ihre Meldungen mündlich, schriftlich oder persönlich abzugeben. Diese Meldekanäle müssen sicherstellen, dass die Identität der Hinweisgeber und anderer betroffener Personen vertraulich behandelt wird.

Der Bund richtet eine externe Meldestelle ein, ebenso können die Bundesländer externe Meldestellen einrichten, auch die BaFin und das Bundeskartellamt sind externe Meldestellen.

Den Whistleblowern steht es grundsätzlich frei ihre Meldung intern oder extern abzugeben. Gem. § 7 Abs. 1 HinSchG sollten Sie jedoch eine interne Meldestelle bevorzugen. Unternehmen sollten daher die internen Meldekanäle komfortabel und sicher ausgestalten, damit die potenziellen Hinweisgeber sie auch wirklich nutzen.

Kleinere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten können sich Ressourcen teilen und gemeinsame Meldestellen betreiben. Die Pflicht Maßnahmen zu ergreifen, um die gemeldeten Verstöße abzustellen, verbleibt jedoch beim einzelnen Unternehmen. Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten sind von der Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle befreit, sollten aber dennoch den Schutz von Hinweisgebern gewährleisten.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das HinSchG?

Das HinSchG sieht Bußgelder vor, wenn Unternehmen ihre Pflicht zur Einrichtung interner Meldekanäle nicht erfüllen oder Repressalien gegen Hinweisgeber ausüben. Gem. § 36 Abs. 2 HinSchG wird vermutet, dass eine erlittene Benachteiligung auf einer Repressalie des Unternehmens beruht. Das Unternehmen muss aufgrund der Beweislastumkehr seine Unschuld beweisen, was im Einzelfall sicher schwierig sein dürfte. Die Höhe der Bußgelder kann bis zu 50.000 Euro betragen. Das Nichteinrichten einer internen Meldestelle wird mit Bußgeld bis zu 20.000 € geahndet. Bei Verstößen gegen das HinSchG kann auch Schadensersatz gefordert werden.

Was müssen Unternehmen beachten?

Bei der Einrichtung und dem Betrieb interner Meldekanäle müssen Unternehmen die Vertraulichkeit der Hinweisgeber und anderer betroffener Personen gewährleisten. Die mit der Betreuung der Meldekanäle beauftragten Personen müssen daher Vertraulichkeitserklärungen abgeben.

Die Meldekanäle sollten verschiedene Kommunikationswege wie mündliche, schriftliche und persönliche Meldungen ermöglichen. Gem. § 16 Abs. 1 HinSchG besteht keine Verpflichtung den Meldekanal so zu gestalten, dass anonyme Meldungen ermöglicht werden. Zu bedenken ist jedoch, dass Unternehmen ein Interesse daran haben sollten, die Meldung intern zu erhalten, damit Sie den Verstoß untersuchen und gegebenenfalls abstellen können. Daher sind Systeme zu bevorzugen, die auch anonyme Meldungen ermöglichen. Unternehmen können auch externe Anbieter oder Ombudspersonen beauftragen, die Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen zu übernehmen. Die Letztverantwortung für das Abstellen von Verstößen verbleibt jedoch auch dann beim Unternehmen.

Es ist wichtig, klare Vorgaben für den Umgang mit Meldungen von Hinweisgebern zu erstellen und sicherzustellen, dass die Meldestellen mit den Regelungen des HinSchG im Einklang stehen. Hier ist eine interne Richtlinie zu entwickeln und Meldewege und Verantwortlichkeit festzulegen. Die gesetzliche Frist für die Eingangsbestätigung eines Hinweises und die Bearbeitung von Hinweisen sind mit 7 Tagen bzw. 3 Monaten knapp. Unternehmen mit Betriebsräten müssen deren Mitbestimmungsrechte bei der Ausgestaltung des Hinweisgebersystems beachten und gegebenenfalls eine Betriebsvereinbarung abschließen.

Fachkunde der internen Meldestelle

Die interne Meldestelle ist gem. § 15 Abs. 1 HinSchG von einer fachkundigen Person zu betreuen. Wenn im Unternehmen keine Compliance Abteilung besteht, sind Personen auf diese zusätzlichen Aufgaben vorzubereiten. Hier bieten wir vom WIRTSCHAFTScampus Dr. Peemöller GmbH mit den Compliance Fernlehrgängen gezielt Unterstützung an. Mit dem Zertifikat zum Certified Compliance Officer weist der Arbeitnehmer und das Unternehmen die erforderlichen Kenntnisse und die Fachkunde nach. Der Geschäftsführer oder der Personalverantwortliche können aufgrund bestehender Interessenkonflikte nicht „unabhängig“ i. S. d. HinSchG agieren und sind daher nicht geeignet die Meldestelle zu betreuen.

Supply Chain Due Diligence Act: Was müssen Unternehmen beachten?

Neben dem Hinweisgeberschutzgesetz müssen Unternehmen auch den Supply Chain Due Diligence Act (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) seit 01.01.2023 beachten. Dieses Gesetz verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße zu überprüfen. Unternehmen müssen geeignete Maßnahmen ergreifen, um Risiken zu identifizieren, zu minimieren und zu verhindern.

Die Einhaltung des LkSG (Supply Chain Due Diligence Act) erfordert eine umfassende Analyse der Lieferkette, die Zusammenarbeit mit Lieferanten und die Implementierung von Kontrollmechanismen. Unternehmen sollten eine klare Lieferkettenstrategie entwickeln, die den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards gewährleistet.

Da auch das LkSG gem. § 8 LkSG die Einrichtung eines Meldekanals erfordert, um Personen ein Beschwerdeverfahren gegen menschenrechtliche oder umweltbezogene Pflichten zu ermöglichen, sollte das Unternehmen versuchen ein Meldesystem zu entwickeln, das beide Anforderungen erfüllt. Dies könnte durch geringfügige Erweiterungen gelingen.

 

Meldesystem nach HinSchG und LkSG(Abbildung)
(c) 2023 WIRTSCHAFTScampus Dr. Peemöller

 

 

Fazit: Hinweisgeberschutzgesetz und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Das Hinweisgeberschutzgesetz und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind wichtige Gesetze, die Unternehmen dazu verpflichten, Hinweisgeber zu schützen und ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße zu überprüfen. Unternehmen müssen sich mit den Anforderungen dieser Gesetze auseinandersetzen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Die Schaffung sicherer Meldekanäle und die Implementierung effektiver Lieferkettenkontrollen sind entscheidend, um den Schutz von Hinweisgebern und die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards zu gewährleisten.

 

Der WIRTSCHAFTScampus unterstützt Sie beim Erwerb der notwendigen Fachkunde in Compliance und Betreuung von Meldesystemen mit seinen Weiterbildungsangeboten:

Quellen:
HinSchG, LkSG, copy.ai

ESG-Compliance: Warum eine Weiterbildung in diesem Bereich für Unternehmen und Karrierechancen wichtig ist

ESG-Compliance: Warum eine Weiterbildung in diesem Bereich für Unternehmen und Karrierechancen wichtig ist

ESG-Compliance – diese drei Buchstaben stehen für Environmental, Social und Governance. Sie beschreiben Faktoren, die für Unternehmen immer wichtiger werden. Denn sie signalisieren, wie ein Unternehmen mit Umwelt- und Sozialfragen umgeht und wie es sich in der Gesellschaft verhält. Gleichzeitig sind sie ein wichtiger Indikator für die Qualität der Unternehmensführung. Doch was bedeutet das konkret? Und warum ist eine Weiterbildung in diesem Bereich sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeiter sinnvoll?

 

Was ist ESG-Compliance?

ESG-Compliance umfasst eine Vielzahl von Themen, die für Unternehmen relevant sind. Umweltaspekte wie Klimawandel, Energie- und Ressourcenverbrauch, aber auch die Einhaltung von Umweltgesetzen und -verordnungen spielen eine Rolle. Auch soziale Aspekte wie Arbeitsbedingungen, Menschenrechte und die Einhaltung von Arbeitsschutzstandards sind Teil von ESG-Compliance. Derzeit ist hier insbesondere an das LkSG (Lieferkettensorfaltspflichtengesetz) zu denken. Schließlich geht es auch um Fragen der Unternehmensführung wie Transparenz, Korruptionsbekämpfung und Risikomanagement.

 

Warum ist ESG-Compliance wichtig für Unternehmen?

Es gibt mehrere Gründe, warum ESG-Compliance für Unternehmen immer wichtiger wird. Zum einen gibt es gesetzliche Vorgaben, die Unternehmen dazu verpflichten, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. So müssen börsennotierte Unternehmen in vielen Ländern über ihre Nachhaltigkeitsleistungen berichten.

Bei uns in Deutschland sind diese Regelungen derzeit in § 289b HGB für große, kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern geregelt.

Die EU verfolgt mit der CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) ein Stufenkonzept. Die Berichtsdaten sollen erweitert und vergleichbar werden. Hierzu werden derzeit ESRS (European Sustainability Reporting Standards) entwickelt. Immer mehr Unternehmen werden dann das neue Berichtsformat erfüllen müssen. Am 01.01.2024 werden die o. g. großen kapitalmarktorientierten Unternehmen erheblich erweiterte Berichtspflichten treffen.

Am 01.01.2025 werden große Unternehmen, die derzeit nicht der NFRD (Non-Financial-Reporting Directive) unterliegen, berichtspflichtig, wenn sie 2 der 3 Merkmale erfüllen:

  • Umsatz > 40 Mio. €
  • Bilanzsumme > 20 Mio. €
  • Mitarbeiteranzahl > 250

Am 01.01.2026 werden börsennotierte KMU sowie kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und kleine Versicherungsunternehmen erfasst.

Am 01.01.2028 werden nicht-EU-Unternehmen erfasst, die folgende Merkmale erfüllen:

  • Umsatz in der EU > 150 Mio. €
  • Mind. 1 Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in der EU

Es gibt auch immer mehr Investoren, die bei der Auswahl von Unternehmen neben finanziellen Kriterien ESG-Aspekte berücksichtigen. Unternehmen, die hier gut abschneiden, haben dadurch einen Wettbewerbsvorteil.

Aber auch abseits von gesetzlichen Vorgaben und Investoreninteressen gibt es gute Gründe, sich mit ESG-Compliance auseinanderzusetzen. Zum einen können Unternehmen durch eine verantwortungsvolle Unternehmensführung langfristig Kosten sparen und Risiken minimieren. So können beispielsweise effiziente Energie- und Ressourcenverbrauch zu Einsparungen führen. Auch kann ein gutes Arbeitsklima dazu beitragen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierter und produktiver arbeiten. Schließlich kann ein verantwortungsvolles Risikomanagement dazu beitragen, dass Unternehmen besser auf unvorhergesehene Ereignisse wie Naturkatastrophen oder politische Krisen reagieren können.

 

Warum ist eine Weiterbildung in ESG-Compliance sinnvoll?

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielen eine wichtige Rolle bei der Schaffung einer ESG-Kultur, die es Ihnen ermöglicht, Ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass die Richtlinien und Verfahren des Unternehmens korrekt befolgt werden, was bedeutet, dass sie darüber informiert werden müssen, wie diese Systeme zusammen mit anderen Aspekten der Unternehmensführung wie Risikomanagement oder Finanzberichterstattung funktionieren.

Eine Weiterbildung in ESG-Compliance kann daher sowohl für Unternehmen als auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Vorteil sein. Zum einen können Unternehmen durch eine gezielte Weiterbildung sicherstellen, dass sie auf dem neuesten Stand sind und gesetzliche Vorgaben erfüllen. Auch können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so besser für die Herausforderungen sensibilisiert werden und lernen, wie sie diese im Arbeitsalltag umsetzen können.

Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann eine Weiterbildung in ESG-Compliance auch Karrierechancen eröffnen. Denn Unternehmen suchen zunehmend nach Mitarbeitern, die sich mit diesen Themen auskennen und sie im Unternehmen umsetzen können. Eine Weiterbildung kann also dazu beitragen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich für interessante Positionen qualifizieren.

Nach einer Studie der Horvath AG unter 80 CFOs aus Unternehmen mit i. d. R. über 1.000 Arbeitnehmern und 250 Mio. € Umsatz ist der Bedarf an ESG-Managern groß.

Jeder vierte CFO sieht die Nachhaltigkeitsziele für 2023 als unerfüllbar an. Nachhaltigkeitsziele zu erreichen wird mit 88 % als bedeutenste Herausforderung noch vor Fachkräftemangel und Cyber-Risiken genannt, doch aufgrund des Personalmangels und der hohen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter sind die CFOs pessimistisch die Vorgaben im ESG Bereich zu erreichen:

  • 25 % der CFOs sehen sich außerstande Nachhaltigkeit in die Geschäftsstrategie zu integrieren.
  • 83 % gehen von einer Verschärfung des Problems und Belastung des Tagesgeschäfts aus.
  • 59 % gehen davon aus auch in den nächsten Monaten die Kapazitätsprobleme nicht lösen zu können.

 

Häufige Fehler bei der ESG-Compliance

ESG-Compliance ist keine Einheitslösung. Es erfordert ein Verständnis für die Ziele, Werte und Kultur Ihres Unternehmens, um effektiv implementiert zu werden. Es gibt viele häufige Fehler, die zu ineffektiven Schulungsprogrammen für Mitarbeiter führen können:

  • Unzureichende Schulung – Wenn Sie nicht genügend Schulungen oder Ressourcen für Mitarbeiter zu ESG-Themen bereitstellen, verstehen sie möglicherweise nicht, welche Verantwortlichkeiten sie haben oder wie sie zu den Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens beitragen können.
  • Schlechte Kommunikation – Wenn Sie nicht klar kommunizieren, was ESG für Ihre Organisation bedeutet und warum es wichtig ist, werden Mitarbeiter weniger wahrscheinlich Maßnahmen zu diesen Themen ergreifen, weil ihnen ihre Rolle in Nachhaltigkeitsbemühungen nicht bewusst ist.
  • Mangelnde Einbindung – Ohne Unterstützung von Top-Führungskräften (und manchmal auch von mittleren Managern) ist es schwierig, ein Mitarbeiterbildungsprogramm für ESG-Compliance-Initiativen wie Berichtspflichten nach dem LkSG oder Reduzierung von Kohlenstoffemissionen zu entwickeln.

 

Wie kann eine Weiterbildung in ESG-Compliance aussehen?

Eine Weiterbildung in ESG-Compliance kann auf verschiedene Weise stattfinden. Zum einen gibt es spezielle Weiterbildungen, die sich ausschließlich mit diesen Themen befassen. Hier können wir auf die Ausbildung zum Certified ESG Compliance Officer verweisen. Unternehmen können auch eigene Schulungen anbieten, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem neuesten Stand zu halten.

 

Fazit

ESG-Compliance wird für Unternehmen immer wichtiger. Gesetzliche Vorgaben und Investoreninteressen erfordern, dass Unternehmen sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Gleichzeitig ergeben sich aber auch Chancen, wie beispielsweise Einsparungen und ein besseres Risikomanagement. Eine gezielte Weiterbildung in ESG-Compliance kann Unternehmen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gleichermaßen Vorteile bringen. Unternehmen können sicherstellen, dass sie auf dem neuesten Stand sind, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich für interessante Positionen qualifizieren.

 

Quellen:

Chatsonic, Copy.ai

Horváth-Studie – CFO-Studie: Jeder vierte Finanzvorstand sieht Nachhaltigkeitsziele für 2023 als unerfüllbar an, www.horvath-partners.com

Neuer Impuls durch § 38 EGAO für Tax Compliance Systeme oder lame duck?

Neuer Impuls durch § 38 EGAO für Tax Compliance Systeme oder lame duck?

Bürokratiemonster oder lohnende Investion?

In der aktuellen Situation, in der sich Unternehmen im Dauerkrisenmodus durch Pandemie, Energiekrise aufgrund Russland-Ukraine Krieg und Handelskonflikt zwischen USA und China befinden und mit Preisdruck, Fachkräftemangel und schwierigem Umfeld bei notwendigen Investitionen kämpfen, soll der Frage nachgegangen werden, ob man sich gerade jetzt mit dem Thema Tax Compliance erstmals oder erneut beschäftigen sollte.

Unter Tax-Compliance wird die Einrichtung und Pflege eines Systems zur vollständigen und fristgerechten Erfüllung steuerlicher Pflichten in allen Staaten der unternehmerischen Tätigkeit unter Berücksichtigung der unternehmenseigenen Steuerstrategie verstanden.

Aktuell schätzt die Mehrheit der Unternehmen den Reifegrad ihres Tax CMS mit maximal 50% ein und nur 13% haben ein Tax CMS Projekt abgeschlossen. Dies geht aus einer Studie zum Stand der Implementierung von Tax CMS von pwc vom Januar 2020 hervor.

Motive für Tax CMS

Doch was sind die Beweggründe der Unternehmen, die ein Tax CMS-Projekt gestartet haben?

Hauptmotivation ist die Vermeidung der Haftung der Geschäftsleitung, daneben wurden in der o.g. Studie von pwc auch die Sicherstellung der Tax Compliance, Haftungsvermeidung für Mitarbeiter und Verbesserung der bestehenden Prozesse genannt. Weitere interessante Ergebnisse dieser Studie sind daher, dass nur rund ein Drittel der Unternehmen die Ergebnisse der eigenen Risikoidentifizierung für gut geeignet hält, um angemessene präventive Maßnahmen festzulegen. Auch überraschend ist, dass etwa bei einem Drittel der Unternehmen die laufende Verbesserung des Tax CMS nicht sichergestellt ist und nur ein Drittel der Unternehmen systematisch Wirksamkeitstests durchführt.

Für juristische Personen des öffentlichen Rechts geriet das Thema Tax CMS oft erst durch die geplante und wieder verschobene Einführung des § 2b UStG erstmals in den Fokus.

Für viele andere Unternehmen war dagegen der Anwendungserlass zu § 153 AO vom Mai 2016 der Anlass, sich erstmals mit dem Thema „Tax Compliance“ zu befassen. Das BMF wies damals daraufhin, dass „ein eingerichtetes innerbetriebliches Kontrollsystem, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, gegebenenfalls ein Indiz darstellen kann, das gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit sprechen kann.“ Die konkrete Ausgestaltung des Tax CMS blieb zunächst offen. Die Einrichtung eines Tax CMS erschien nun jedoch als praktikables Instrument um eine Enthaftung der Geschäftsleitung zu bewirken.

Aufgrund des Praxishinweis 1/2016 des IDW sind inzwischen jedoch Leitlinien für die Ausgestaltung von Tax CMS vorhanden. Auch der im September 2022 aktualisierte Prüfungsstandard IDW PS 980 macht nochmals deutlich, dass das Tax CMS angemessen und wirksam sein muss.

Um ein angemessenes Tax CMS installieren zu können, ist aber das Beurteilen der Risiken im eigenen Unternehmen eine Grundvoraussetzung. Auch der BGH hat in dem viel beachteten Urteil vom 9. Mai 2017 – 1StR 265/16 deutlich gemacht, dass ein „effizientes“ Compliance-Management eine bußgeldmindernde Wirkung entfalten kann.

Wenn also die Hauptmotivation der Unternehmen in einer Haftungsvermeidung für die Unternehmensleitung besteht, dann darf das Tax CMS keine Feigenblattfunktion einnehmen. Vielmehr sollte wirklich ein passgenaues, schlankes System im Unternehmen durch einen (Tax) Compliance Officer entwickelt werden. Diese Lösung verursacht angemessene Kosten und möglichst wenig Bürokratie. Die Entwicklung des Tax CMS kann im besten Fall sogar zu einer Optimierung der Steuerprozesse im Unternehmen führen, was eine Entlastung der Steuerfunktion und freie Kapazitäten für weitere Aufgaben bedeutet. Das Entwickeln eines Tax CMS, das am Bedarf des Unternehmens vorbeigeht, d.h. wesentliche Risiken nicht erkennt, sich nicht weiterentwickelt oder nicht zur Anwendung kommt, kann dagegen Compliance Verstöße nicht verhindern und auch keine Haftungsvermeidung bewirken.

Prüfung des Tax CMS

Ob das Tax CMS geprüft sein muss und durch wen diese Prüfung erfolgen kann, ist in einem weiteren Schritt zu überlegen.

Die Prüfung durch Wirtschaftsprüfer nach IDW PS 980 verursacht Kosten und stellt leider keine rechtssichere Garantie dafür dar, dass straf- oder bußgeldrechtliche Vorwürfe gegen die Geschäftsführung erhoben werden. Allerdings sinkt bereits durch die Implementierung eines Tax CMS das Risiko den Tatbestand der Steuerhinterziehung im Unternehmen zu verwirklichen. Das allein stellt somit schon eine lohnende Investition dar. Eine Prüfung des Tax CMS reduziert dieses Risiko nochmals signifikant. Aber wie lange hält dieser Effekt?

Wer die Entwicklung der Steuergesetzgebung in den letzten Jahren mitverfolgt hat, kann beobachten wie mindestens im Halbjahrestakt Änderungen umzusetzen sind oder neue Berichtspflichten einzuführen sind. Ein einmal geprüfter status quo, kann also auch keine dauerhafte Sicherheit vermitteln, dass geht nur über ein gelebtes CMS. Das Tax CMS ist wie das CMS selbst ein System, das überwacht und verbessert werden muss.

Neben den bereits aufgeführten guten Gründen sich nun ernsthaft mit dem TAX CMS zu beschäftigen, kommt seit dem 1.1.2023 ein weiterer Anreiz hinzu. Nachdem zunächst in Bayern im Februar 2022 ein Pilotprojekt mit zwei bayerischen Unternehmen zur Beschleunigung von Betriebsprüfungen unter Einbeziehung des Tax CMS gestartet hatte, wurde noch im Dezember 2022 das EGAO erweitert. Der neue § 38 des Art 97 EGAO enthält eine bis 30. Juni 2029 befristete Regelung zur Prüfungserleichterung in kommenden Betriebsprüfungen:

„Soweit im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen die Wirksamkeit eines von ihm eingesetzten Steuerkontrollsystems hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko besteht, kann die Finanzbehörde auf Antrag Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen, dass keine Änderungen der Verhältnisse eintreten.“

Hier zeigt sich nochmals, dass nur ein wirksames System zu Vorteilen führt.

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, sollte man sich gerade jetzt mit dem TAX CMS beschäftigen, kann daher nur lauten: ja und das bleibt auch weiterhin so.  Nur die regelmäßige Fortentwicklung des Systems sichert einen nachhaltigen Schutz vor non-compliance und Haftung.

Wenn Sie sich die notwendigen Kenntnisse zur Entwicklung eines Tax Compliance Systems aneignen wollen, können Sie mit dem Fernlehrgang zum Tax Compliance Officer jetzt sofort durchstarten:

Certified Tax Compliance Officer – Fernstudium

 

Export Compliance – Safe Haven für Vorstände und Unternehmen?!

Unternehmen jeder Größe, die in einem globalen Umfeld agieren, bewegen sich auf „rechtlich“ gefährlichem Terrain. Dies gilt bekanntermaßen für die Rüstungsindustrie, aber auch alle anderen Branchen sind betroffen, die Produkte im Umfeld von sog. Dual-Use-Gütern herstellen und/oder mit diesen handeln. Dual-Use-Güter definieren sich als Waren mit einem (möglichen) doppelten Verwendungszweck.

Diese Waren können entweder im zivilen Einsatz aber auch im militärischen Umfeld genutzt werden. Beispiele hier sind hier vor allem die Luftfahrtelektronik, Schiffstechnik und besondere Werkstoffe. Hintergrund ist, dass im ersten Moment harmlose Dinge und Substanzen möglicherweise missbräuchlich verwendet werden. Ein besonderes und ungewöhnliches Beispiel für einen doppelten Verwendungszweck ist eine Lippenstifthülse aus Aluminium. Denn aus den einfachen Aluminiumhülsen können nicht nur Lippenstifthülsen, sondern auch Hülsen für Gewehr- und Pistolenpatronen hergestellt werden.

Deshalb zählen diese zu den genehmigungspflichtigen Waren und müssen von der zuständigen Behörde, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überwacht werden. Anhand von zwei drastischen Beispielen soll dies kurz verdeutlicht werden:

Der Geschäftsführer eines Werkzeugmaschinenherstellers verkaufte Werkzeugmaschinen über zwei Jahre für ca. 8 Millionen € an russische Unternehmen. Der Verkauf sowie die Lieferung, Verbringung und Ausfuhr sog. Dual-Use-Güter an militärische Endnutzer ist nach den Vorschriften des Russlandembargos seit 2014 verboten. Zu beachten ist, dass die bloße Möglichkeit einer militärischen Zweckbestimmung genügt, um den Straftatbestand des § 18 Abs. 7 AWG zu erfüllen. So sieht sich der Unternehmer nun mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe mit Geheimdiensten kooperiert und sei aufgrund der Lieferung in die Beschaffungsstruktur fremder Nachrichtendienste eingebunden (vgl. BGH-Beschluss vom 31. August 2020-AK 20/20).

In einem anderen Fall wurde ein Unternehmer zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er die Chemikalie Decaboran, die zur Herstellung von Raketenantrieb- und Sprengstoff benötigt wird, illegal nach Russland transportiert hatte. Das Gericht ordnete die Einziehung der Taterträge gem. § 20 AWG in Höhe von 1.5 Millionen € an. (vgl. OLG Hamburg Urteil vom 9.1.2020 – 8 St 3/19).

Beide Fälle zeigen die Bedeutung eines Export Compliance Systems als Schutz für die Geschäftsleitung, aber auch als Schutz für das Unternehmen. Noch vor Vertragsabschluss ist systematisch zu prüfen

  • ob Waren gelistet sind
  • ob der Kunde beliefert werden darf
  • zu welchem Zweck die Waren verwendet werden sollen
  • ob in das Land geliefert werden darf.

 

Der Export Compliance Officer

Diese Aufgaben systematisch zu koordinieren und ein Export Compliance System aufzubauen, das in das Compliance System des Unternehmens integriert ist, sollte von einem Export Compliance Officer übernommen werden.

Zu beachten ist hierbei, dass auch eine Sanktionslistenprüfung kein einmaliger Vorgang ist. Die USA, die EU, die UN und Länder wie Kanada, Australien oder Japan geben Sanktionslisten heraus, die zum Teil bis zu 300-mal im Jahr Updates erhalten. Hier ist also nicht nur die neue EU-Dual-Use Verordnung zu berücksichtigen.

Der Export bzw. Trade Compliance Officer muss die Screenings so organisieren, dass während des gesamten Zeitraums der Zusammenarbeit mit einem Geschäftspartner (von der Geschäftsanbahnung bzw. Ausschreibung bis zur Auslieferung der Ware) sichergestellt ist, dass der Geschäftspartner nicht gelistet ist.

Der BGH hat in einem Urteil vom 9.5.2017 (1StR 256/16), das im Zusammenhang mit Bestechungsvorwürfen bei einem Rüstungsgeschäft mit Griechenland ergangen war, erstmals betont, dass bei der Höhe der Geldbuße gem. § 30 OWiG ein effizientes Compliance Management System strafmildernd zu berücksichtigen ist. Das Compliance Management System kann jedoch nur berücksichtigt werden, wenn es auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt ist, laufend optimiert wird und interne Abläufe so gestaltet sind, dass Normverletzungen deutlich erschwert werden.

Auch für den Bereich Export ist damit klargestellt, dass nur mit einem effizienten Export Compliance System, das auf aktueller Rechtslage basiert, im Falle von eingetretenen Rechtsverstößen mit Strafmilderung gerechnet werden kann.

 

Weiterbildung Export Compliance

Aktuell und praxisorientiert bietet der Wirtschaftscampus die Ausbildung zum Export Compliance Officer an.

Der Certified Export Compliance Officer übernimmt die gesamte Verantwortung für die Organisation und die Umsetzung aller notwendigen Aufgaben und Maßnahmen im Bereich der Exportkontrolle. Darüber hinaus überwacht er die Einhaltung dieser Anforderungen sowie Durchführung aller Exportgeschäfte des Unternehmens.

Schwerpunkte des Zertifizierungs-Lehrgangs sind u.a.:

  • Grundlagen der Export Compliance
  • Genehmigungspflichten und Ausfuhrverfahren
  • Ausgestaltung eines Export-Compliance-Systems (ECS)
  • Technologietransfer und US-Exportkontrollrecht (EAR)
  • Strafrechtliche Risiken, Lieferkettengesetz und US-Exportkontrollrecht (ITAR)

Alle Informationen zu dieser neuen Weiterbildung und zu allen anderen Compliance-Weiterbildungen des Wirtschaftscampus finden Sie hier:

https://www.wirtschaftscampus.de/lehrgaenge/compliance-officer/certified-export-compliance-officer

 

Export Compliance – Darf es ein U-Boot mehr sein?

Fakten

Die deutsche Wirtschaft ist in hohem Maße exportorientiert. Rund jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt vom Export ab. Gleichzeitig ist Deutschland als rohstoffarmes Land auch auf Importe angewiesen. Trotz dieser Import-Abhängigkeit liegen in Deutschland die Warenausfuhren seit Jahrzehnten über den Wareneinfuhren. Und in den Jahren 2014 bis 2019 wurden neue Rekordüberschüsse bei der Handelsbilanz erzielt: Der Wert der exportierten Waren lag in allen sechs Jahren um mehr als 210 Milliarden Euro über dem Wert der importierten Waren.

Im Jahr 2019 exportierte Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Stand April 2021) Waren im Wert von 1.328 Milliarden Euro und importierte im Gegenzug Waren im Wert von 1.104 Milliarden Euro – nie zuvor war der Wert der Ex- und Importe höher. Insgesamt erhöhte sich der Warenexport beziehungsweise der Warenimport in den Jahren 1980 bis 2019 jährlich um 5,3 beziehungsweise 4,8 Prozent.

Durch die Corona-Pandemie wurde diese Entwicklung allerdings vorerst gestoppt: Im Jahr 2020 lag der Export bei 1.205 Milliarden Euro und der Import bei 1.025 Milliarden Euro – gegenüber 2019 entsprach das einem Rückgang beim Export um 9,3 und beim Import um 7,1 Prozent.


Quelle: Statistisches Bundesamt 2021
Grafik: WIRTSCHAFTScampus

Prognosen, zum Beispiel des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung für das Jahr 2022, zeigen aber, dass sich diese absteigende Tendenz stabilisieren und im Hinblick auf 2022 die Werte wieder deutlich ansteigen werden. Das IMK geht von einem Wirtschaftswachstum im Jahr 2022 von 4,9% aus.

Export Compliance – Es geht nicht mehr ohne!

Im Rahmen der Globalisierung verkaufen Unternehmen fast aller Branchen und Größen ihre Produkte in viele Länder. Da in diesen Ländern jeweils unterschiedliche Gesetze, technische Vorschriften oder infrastrukturelle Voraussetzungen gelten, müssen exportierende Unternehmen prüfen, ob die Produkte den jeweiligen Gesetzen und geltenden Vorschriften entsprechen. Ihre Lieferkette hängt von der Einhaltung verschiedener Handelsabkommen, internationaler Handelsbestimmungen und der zollrechtlichen Einstufung ab. Doch selbst erfahrene Unternehmen verursachen unbeabsichtigt Import- und Exportverstöße, die zu hohen Strafen und Bußgeldern in Bezug auf Dual-Use-Güter führen können.

Das internationale Geschäft ist komplexer als je zuvor, und deshalb benötigt jedes Unternehmen ein klares Verständnis und eine klare Definition der Regeln der Exportkontrolle, der Zollbehörden und der Exportgesetze. Der Export und natürlich genau so der Import sind zu einem wesentlichen Teil des Tagesgeschäfts geworden. Da das Geschäft vom globalen Handel abhängt, muss das Unternehmen sicherstellen, dass seine Abläufe eine globale Compliance in den Segmenten Import und Export sicherstellen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen ein umfassendes Verständnis für die Gesetze und Vorschriften haben, die ihre Importe und Exporte regeln. Genau hier liegt der Bereich, für den der Export Compliance Officer verantwortlich ist.


Die Einhaltung von Handelsvorschriften ist für den Import und Export von entscheidender Bedeutung und liegt allgemein in der Verantwortung des Unternehmens und speziell im Aufgabenbereich des Export Compliance Officers. Damit Compliance im Import und Export richtig gelebt und umgesetzt wird, muss das Verständnis aufgebaut werden, welche Regeln und Vorschriften für das Unternehmen gelten. Konform zu sein bedeutet, die Anforderungen und Bedürfnisse von Kunden und Lieferanten zu erfüllen und dazu Nachhaltigkeit, langfristig orientiertes Wachstum und individuelle Wettbewerbsvorteile zu unterstützen. Genau hierin liegen die Schlüsselelemente für eine sichere, erfolgreiche und zukunftsorientierte globale Lieferkette. Unter Einhaltung dieser Handelskonformität im Unternehmen kann:

  • der Ruf des Unternehmens und der Mitarbeiter geschützt werden, indem legal und verantwortungsvoll Handel von Gütern betrieben wird,
  • die Gefahr von Geldstrafen und Bußgeldern minimiert werden,
  • die Zufriedenheit der Kunden durch Vermeidung von Verzögerungen beim Versand gefördert werden,
  • die finanzielle Belastung der Unternehmen durch eine reibungslose Abwicklung des Exports vermieden wird.

Einer der Schwerpunkte im Bereich der Export Compliance ist der Bereich Rüstung und Waffen. In diesem Blogbeitrag soll kurz anhand eines Beispiels dargestellt werden, dass Einzelpersonen und Unternehmen in früheren Jahren massiv gegen Compliance-Regeln verstoßen haben, wie wir sie heute kennen.

Basil und seine U-Boote


Basil Zaharoff (* 6. Oktober 1849 † 27. November 1936)
© Bibliothèque nationale de France / Wikimedia Commons

Basil Zaharoff, geboren als Vasileios Zacharias, war ein griechischer Waffenhändler und Industrieller. Als einer der reichsten Männer der Welt zu seinen Lebzeiten wurde er als “Kaufmann des Todes” und “mysteriöser Mann Europas” beschrieben. Sein Erfolg wurde durch seine listige, oft aggressive und scharfe Geschäftstaktik geschmiedet. Dazu gehörte der Verkauf von Waffen an gegnerische Seiten in Konflikten, manchmal die Lieferung gefälschter oder fehlerhafter Maschinen und der geschickte Einsatz der Presse, um Geschäftskonkurrenten anzugreifen.

Als eines seiner größten und zugleich für ihn lukrativsten Geschäfte gilt der Verkauf von insgesamt fünf U-Booten.

1886 kaufte er die Pläne für eines der ersten U-Boote auf der Welt vom Briten George Garrett, ein englischer Erfinder und Geistlicher(!). Aus heutiger Sicht war das daraus gebaute U-Boot mit Namen Nordenfelt I vorsintflutlich. Das U-Boot ließ sich kaum unter Wasser steuern, für jeden Torpedoschuss musste das Schiff auftauchen, die Gefahr, dass die Maschinen komplett ausfielen und das U-Boot sank, hoch. Vieles spricht dafür, dass keines der später gebauten U-Boote jemals funktionsfähig zum Einsatz kam. Trotzdem präsentierte Zaharoff sein Schiff auf mehreren Militärkonferenzen, aber die großen Industriemächte wie die USA lehnten dankend und skeptisch ab. Für Zaharoff kein Grund, eine Niederlage im Verkauf einzugestehen, sondern für ihn die Motivation, das U-Boot nun kleineren Staaten in Europa anzubieten.

Es gelang ihm durch geschicktes Agieren, das untaugliche U-Boot an Griechenland, die Türkei und schließlich an Russland zu verkaufen.

Aus heutiger Sicht liegen hier massive Verstöße gegen Compliance vor. Verständlich, dass an den Regeln des Exports intensiv gearbeitet wurde und so ein komplexes und kompliziertes System entstand.

Heute werden an den Export von Waffen und Rüstungsgütern; aber auch an Güter, die sowohl zu zivilen als auch militärischen Zwecken verwendet werden können, hohe Anforderungen gestellt. Es sind eine Vielzahl von nationalen und internationalen Vorschriften zu beachten, sodass im Tagesgeschäft schnell Embargos oder Sanktionslisten übersehen werden können.

Haftung

Aber wer haftet eigentlich bei Verstößen gegen Exportkontrollrecht? Im Gegensatz zu Verstößen gegen Zollbestimmungen, die i.d.R. als steuerrechtlicher Verstoß eingestuft werden, liegt hier i.d.R. ein Verstoß gegen Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht vor.

Je nach Organisation im Unternehmen kommt hier eine persönliche Haftung der Geschäftsführung oder des Ausfuhrverantwortlichen infrage. Der Haftungsmaßstab ergibt sich aus der Frage, ob der Verstoß vorsätzlich der fahrlässig begangen wurde. Ein Export-Compliance-System kann hier wertvolles Indiz dafür sein, dass der Verstoß nur fahrlässig erfolgte.

Ausblick

Ob nun U-Boote in der Vergangenheit oder Güter und Waren in der Gegenwart. Die Export Compliance im Unternehmen wird ein immer signifikanteres Segment im Bereich der Compliance werden als sie es bisher schon ist bzw. sein sollte. Es werden Spezialisten benötigt bzw. bereits tätige Mitarbeiter im Bereich der Compliance müssen eine spezielle Aus- und Weiterbildung erhalten.

Der Export Compliance Officer

Aktuell und praxisorientiert! Seit Dezember 2021 bietet der Wirtschaftscampus die Weiterbildung zum Export Compliance Officer an.

Der Certified Export Compliance Officer übernimmt die gesamte Verantwortung für die Organisation und die Umsetzung aller notwendigen Aufgaben und Maßnahmen im Bereich der Exportkontrolle. Darüber hinaus überwacht er die Einhaltung dieser Anforderungen sowie Durchführung aller Exportgeschäfte des Unternehmens.

Schwerpunkte des Zertifizierungs-Lehrgangs sind u.a.:
• Grundlagen der Export Compliance
• Genehmigungspflichten und Ausfuhrverfahren
• Ausgestaltung eines Export-Compliance-Systems (ECS)
• Technologietransfer und US-Exportkontrollrecht (EAR)
• Strafrechtliche Risiken, Lieferkettengesetz und US-Exportkontrollrecht (ITAR)

Alle Informationen zu dieser neuen Weiterbildung und zu allen anderen Compliance-Weiterbildungen des Wirtschaftscampus finden Sie hier:
https://www.wirtschaftscampus.de/lehrgaenge/compliance-officer/certified-export-compliance-officer

Homeoffice und Compliance in Zeiten der Corona-Pandemie


Triumpf des Todes – Pieter Bruegel der Ältere (* um 1525/1530 † 9. September 1569), Maler der niederländischen Renaissance

Prolog:

“Das ist eine Idee, über die man lachen kann, aber die einzige Art, gegen die Pest anzukämpfen, ist der Anstand.“
Albert Camus (* 7. November 1913 † 4. Januar 1960) aus „Die Pest“ (1947)

Momentan befinden wir uns in einer geschichtlichen Phase mit einer Bedrohung für die Menschen und die globale Wirtschaft, welche wir uns vor einem Jahr noch nicht einmal hätten vorstellen können. Die aktuelle Situation kennen wir eigentlich für uns persönlich nur aus Geschichtsbüchern. Natürlich gab es in der Geschichte der Menschheit immer wieder Bedrohungen durch Krankheiten, doch hat sich bis heute niemals eine Pandemie weltweit so schnell ausgebreitet wie Covid-19.

Zu Anfang dieses Blogbeitrags ein Blick zurück, der auch ein Blick nach vorne sein kann, was vielleicht in der Zukunft auf uns zukommen könnte bzw. hoffentlich nicht auf uns zukommen wird.

Rückblick

Pandemien gibt es, solange es Menschen gibt. Die meisten Opfer hatte wohl die Pest Mitte des 14. Jahrhunderts. Sie forderte weltweit schätzungsweise mehr als 200 Millionen Menschenleben, allein in Europa soll rund die Hälfte der Bevölkerung ums Leben gekommen sein. Es dauerte rund 100 Jahre, bis sich die Bevölkerungszahl auf das Vor-Pest-Niveau erholte. Die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen waren dramatisch.

Besser im Gedächtnis geblieben ist die Spanische Grippe von 1918 bis 1920. Sie ist die bisher letzte große Pandemie der Neuzeit und gerade mal 100 Jahre her. Sie war eine Mutation der Vogelgrippe und kam aus den USA ins kriegswunde Europa. An ihr starben nach Schätzungen 25 bis 50 Millionen Menschen. Die Spanische Grippe fegte in drei Wellen über die Welt. Im Frühjahr 1918 brach die erste Welle los, fiel aber angesichts von wöchentlich vielen tausend Toten an der Front zunächst nicht auf. Erst später merkte man, dass zum Beispiel die amerikanische Armee fast so viele Soldaten durch die Grippe wie durch Kriegshandlungen verlor.

Besonders tödlich verliefen die zweite und dritte Welle ab Herbst 1918 bzw. Frühjahr 1919. Zwei von drei Menschen infizierten sich mit dem Virus. In den industrialisierten Ländern lag die Sterblichkeit bei rund fünf Prozent und in ärmeren Ländern bei bis zu zehn Prozent. Insgesamt forderte die Grippe mehr Tote als der erste Weltkrieg. Rund zwei Prozent der damaligen Weltbevölkerung von 1,8 Milliarden Menschen starb an ihr.

Die bisherigen Opferzahlen der heutigen Covid-19-Pandemie sind von den Horrorzahlen der Spanischen Grippe noch sehr weit entfernt. Gemeinsamkeiten sind beiden Pandemien die schnelle und weltweite Ausbreitung und die hohen Sterblichkeitsraten. Allerdings sind wir heute, gerade im medizinischen Bereich, in einer besseren Position als wir es 1918 am Ende des Weltkriegs waren. Aus diesem Grund sind die Voraussetzungen für einen Erfolg bei der Bekämpfung, zum Beispiel durch Impfungen, deutlich höher und erfolgversprechender.

Corona – Wie alles begonnen hat

Von China ausgehend hat sich das neue Coronavirus SARS-CoV-2 weltweit verbreitet. Die Millionenmetropole Wuhan in der Provinz Hubei war dabei mit großer Wahrscheinlichkeit das Zentrum des Ausbruchs. Die damit einhergehende Erkrankung wird Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) genannt. Das Virus SARS-CoV-2 hat sich in der kurzen Zeit nach seiner erstmaligen Entdeckung im Dezember 2019 sehr effizient insbesondere durch Tröpfcheninfektion, aber auch durch Aerosolinfektion, von Mensch zu Mensch ausgebreitet.

Am 31. Dezember 2019 wurde das WHO-Landesbüro in China über eine Häufung von Lungenentzündungen in Wuhan informiert. Die chinesischen Behörden haben am 7. Januar 2020 das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 als Ursache der Erkrankung identifiziert. Die WHO hat am 11. März 2020 das Infektionsgeschehen als „pandemisch“ charakterisiert. In der ersten Phase war China am stärksten betroffen, es folgten dann als „Hotspots“ Europa, die Vereinigten Staaten von Amerika, Südamerika und schließlich Indien.

Mit Beginn der Coronapandemie wurde für viele Arbeitnehmer Homeoffice plötzlich und ungeplant zum neuen Standard, von zu Hause aus zu arbeiten. Für die meisten eine völlig neue Erfahrung und auch für zahlreiche Unternehmen eine große Umstellung.

Homeoffice – ein neuer Trend, der keiner ist!

Dabei ist der Begriff des Homeoffice, als das Arbeiten von daheim (Heimarbeit) an sich eigentlich nichts Neues in der vergangenen zeitlichen Historie. Tatsächlich ist die Heimarbeit sogar älter, als die Arbeit in industriellen Großbetrieben und kann bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Einen großen Ausschlag für „Arbeiten von zu Hause“ war die Einführung des Verlagssystems, später auch Verlagswesen genannt. Der Begriff Verlagswesen steht für die dezentrale Arbeitsorganisation. Meist waren es zu Anfang Textilien, die dabei von den so genannten Verlegten, in der Regel Frauen und Kinder, in Heimarbeit hergestellt wurden, um dann durch den Verleger zentral vermarktet zu werden. Das Wort „Verlag“ leitet sich von Vorlage ab. Der Verleger trat dabei mit Geld (Finanzierung) und/oder Rohstoffen in Vorlage

Hier gilt natürlich, dass sich die damalige Heimarbeit in keiner Weise mit dem heutigen, modernen, computer- und internetgestützten Homeoffice vergleichen lässt. Mit Beginn der Corona-Pandemie sind Millionen Berufstätige in Deutschland ins Homeoffice gewechselt und bis heute nicht wieder in die Büros zurückgekehrt. Auch ist ein Ende der Arbeit im Homeoffice für die meisten Mitarbeiter zum jetzigen Zeitpunkt (Stand April 2021) im Hinblick auf die Pandemie und die Maßnahmen der Bundesregierung nicht abzusehen.

Betrachtet man das Jahr 2020, so arbeiteten ein Viertel (25 Prozent) der Berufstätigen ausschließlich im Homeoffice. Dies entspricht in etwa 10,5 Millionen Berufstätigen. Auf weitere 20 Prozent (8,3 Millionen) trifft das zumindest teilweise zu, also nicht an allen Arbeitstagen pro Woche. Insgesamt arbeitet damit aktuell fast jeder Zweite (45 Prozent) zumindest teilweise im Homeoffice. Homeoffice bringt für Arbeitnehmer und auch Arbeitgeber Vorteile. Nicht vergessen werden dürfen aber die Risiken, die sich bei dieser Form des Arbeitens ergeben können.

Nach mittlerweile über einem Jahr in der Coronakrise gilt die herrschende Meinung, dass das Arbeiten von zu Hause kein temporäres Phänomen während der Pandemie ist, sondern das Arbeiten im Büro, zumindest in Teilen, auch nach dem Ende der Pandemie ersetzen kann und wird. Momentan wird daher viel über die Vorteile und Vorzüge des Homeoffice in vielen Branchen und Unternehmen diskutiert und teils sogar schon geplant.

Die Risiken dürfen hier nicht vergessen werden!

Die Unternehmen müssen sich sehr schnell Gedanken darüber machen, wie sie ein sicheres Arbeiten von zu Hause, beginnend mit dem Arbeitsplatz und der Peripherie, für Arbeitnehmer schaffen können, da sich der Arbeitsplatz im Homeoffice von zu Hause deutlich von einer Tätigkeit in den dafür vorgesehenen und ausgestatteten Büros im Unternehmen unterscheidet.

Mit dem Übergang zu vermehrten Heimarbeitsplätzen wurden viele Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt, sodass die Arbeit von zu Hause aus durch Laptops, Tablets und sonstige Mobile Devices im Großen und Ganzen aufrechterhalten werden kann. Die nachfolgenden Risiken sollen zeigen, dass mit der Verlagerung des Arbeitsplatzes aus den Büros die Infrastruktur des Arbeitsplatzes im Unternehmen sowie die geschützte Arbeitsumgebung im Büro auch nicht annähernd nachgebaut oder gar ersetzt werden konnten.

Die Bedrohungslage begann fast zeitgleich mit der Gefahr durch die Covid-19 Pandemie. Durch die Studie „Studying how Cybercriminals prey on the Covid-19 Pandemic“ aus dem Jahr 2020 wird belegt, dass im Zeitraum vom 01.01.2020 bis 31.03.2020 116.357 neue Domains mit Corona-Bezug identifiziert wurden. Ab dem 12.03.2020 wurden ca. 3.000 Domains pro Tag registriert. Von diesen wurden 2.022 Domains eindeutig als maliziös identifiziert, während 40.261 Domains, also fast ein Drittel, eindeutig als hochriskant eingestuft wurden.

Beispiel für die Bedrohung im Homeoffice

Der Mitarbeiter eines Unternehmens im Homeoffice erhält eine Reihe von Telefonanrufen. Der Anrufer gibt vor, sich aus der IT-Abteilung des Unternehmens zu melden und Probleme mit der VPN-Verbindung (virtuelles privates Netzwerk) beheben zu müssen. Damit soll der Mitarbeiter im Homeoffice dazu gebracht werden, seine Zugangsdaten am Telefon mitzuteilen oder auf einer gefälschten Internetseite Daten einzugeben, die dem E-Mail- oder VPN-Portal des Zielunternehmens täuschend ähnlich sieht. Die URL dieser Fake-Webseite erinnert an den Namen des Unternehmens. Auf einer gut programmierten Phishing-Seite können sogar funktionierende Links auf echte interne Online-Ressourcen des tatsächlichen Unternehmens integriert sein.

Die Angreifer konzentrieren sich vor allem auf neue Mitarbeiter und geben sich selbst als neue Mitarbeiter der IT-Abteilung aus. Um glaubwürdiger zu wirken, erstellen sie sogar Profile auf LinkedIn oder anderen Social Media Plattformen und versuchen, sich darüber mit anderen Mitarbeitern des Zielunternehmens zu vernetzen. So wird schnell der Eindruck vermittelt, dass das gefälschte Profil tatsächlich zu einem echten Mitarbeiter im Unternehmen gehört.

Bei dieser Art von Angriff kommt es vor allem auf Schnelligkeit an. Die meisten Unternehmen setzen für den VPN-Zugang auf Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA). Zusätzlich zu Username und Passwort ist zwingend eine weitere Information zur Authentifizierung erforderlich, damit das Einloggen möglich ist. Diese Information (ein einmaliger Code, der von einer App generiert oder per SMS an den Mitarbeiter gesendet wird) ist in den meisten Fällen nur für einen sehr kurzen zeitlichen Rahmen gültig.

Diese Sicherheitsmaßnahme umgehen die Angreifer, indem sie auf ihren vorher erstellten Phishing-Seiten diese zusätzliche Information einfach mit abfragen. Sollte der Homeoffice-Mitarbeiter seine Log-in-Informationen gleich am Telefon mit angeben, loggen sich die Angreifer in Echtzeit im VPN ein, bevor der Zusatzcode nicht mehr gültig ist.

Schutz von Unternehmensdaten im Homeoffice

In den seltensten Fällen haben diese Arbeitnehmer zu Hause ein eigenes Arbeitszimmer. Häufig wird die Küche oder das Wohnzimmer genutzt. Hier ist eine Trennung von privatem und beruflichem Leben kaum oder nur sehr schwer durchzusetzen. Das zieht einige ungewollte Konsequenzen und deutliche Risiken nach sich.

  • Telefonate: Durch die oft nicht mögliche räumliche Trennung ist es möglich, dass dritte Personen hier Inhalte von Telefonaten ohne Probleme mithören können. Dies gilt gleichermaßen für Familienangehörige. Aber auch externe Personen wie Freunde oder zum Beispiel Handwerker oder Putzkräfte, können interne und vertrauliche Inhalte, gewollt oder ungewollt, mithören.
  • Private Speichermedien: Oft ersetzen (private) Smartphones einen Scanner, da dieser nicht vorhanden ist. Dokumente und Unterlagen mit vertraulichen Inhalten werden daher mit der Kamera des Handys fotografiert, in einer privaten Cloud-Struktur zwischengelagert, um dann als Bild via Messenger oder Mail versendet zu werden. Oft werden diese Bilder auf der Cloud des Messenger- oder Mail Anbieters gespeichert, deren Server in den meisten Fällen im Ausland zu finden sind, wodurch oft kein ausreichendes Datenschutzniveau gewährleistet ist, oder Benutzer die Rechte an den Daten weitegehend abtreten.
  • Unsichere Netzwerke: Da die Datenversendung von zu Hause aus passiert, wird in fast allen Fällen der hauseigene WLAN-Router des Anbieters für das private Internet genutzt. Firewall-Einstellungen oder sonstige Sicherheitsmaßnahmen, wie sie im Unternehmen für den Datenschutz genutzt werden, wird man in den seltensten Fällen für die private Nutzung des Internets von zu Hause aus finden. Zum Beispiel gilt dies auch für regelmäßige Software-Updates, die innerbetrieblich meist durch einen IT-Beauftragten regelmäßig durchgeführt werden.
  • Videokonferenzen: Mit dem Beginn des Homeoffice und der Dezentralisierung der Mitarbeiter nutzen sehr viele Unternehmen für Besprechungen und Meetings spezielle Software für Videokonferenzen. Allerdings haben diese Programme ihren eigentlichen Ursprung im privaten Bereich und wurden vor der Pandemie nicht für geschäftliche, und somit vertrauliche, Gespräche genutzt.

Die 8 nervigsten Probleme in einer Videokonferenz


Quelle: Online-Befragung 2/2021 von news aktuell und Faktenkontor / n=353 Teilnehmer aus Unternehmen, Organisationen und PR-Agenturen / Mehrfachnennungen möglich
Grafik: WIRTSCHAFTScampus

Notwendige Maßnahmen bei Homeoffice

Sämtliche Geschäftsprozesse müssen durch die veränderte Form des Homeoffice und der Auslagerung auf einen externen Arbeitsplatz außerhalb der feststehenden Geschäfts- und Unternehmensstruktur ausgerichtet und überprüft werden. Ausdrücklich gilt dies auch für alle Kontrollinstrumentarien.

In den Unternehmen vorhandene Arbeitsanweisungen, Richtlinien, Stellenbeschreibungen oder Schulungen sind nicht auf die neuen Herausforderungen ausgerichtet und müssen daher dringend auf die neue Arbeitssituation hin angepasst werden. Hier ist zu beachten, dass Unternehmen oft Unsummen investieren, um ihre Systeme zu schützen und dabei eines der wichtigsten Einfallstore außer Acht lassen: die Mitarbeiter. Eine umfassende Awarenesskampagne, die sich mit zielgruppenspezifischer Sensibilisierung der Mitarbeiter beschäftigt, ist daher unumgänglich und sollte in jedem Fall ergänzend zu Schulungen und Arbeitsanweisungen implementiert werden.

Ausdrücklich müssen diese, teils neuen und teils geänderten, Anweisungen in ein bestehendes Compliance Management System (CMS) mit eingebunden werden, um im Zuge einer Fortführung und/oder Intensivierung des Homeoffice existierende Risiken für das Unternehmen, ausdrücklich auch nach der Pandemie, adäquat und präventiv zu steuern.

Die besonderen Herausforderungen aus der Arbeit von zu Hause müssen Eingang in die Instrumente finden, die dem Unternehmen zur Erreichung seiner Ziele und zur Steuerung der Unternehmensrisiken zur Verfügung stehen. So sollte z.B. für das Homeoffice eine Richtlinie entwickelt werden, die den Mitarbeitern klare Vorgaben für die Arbeit im privaten Umfeld macht.

Mit einer solchen Arbeitsanweisung können die Lücken kompensiert werden, die sich aus dem Ausbrechen von bisherigen Arbeitsabläufen ergeben und besonders relevante Gebiete wie Datenschutz, IT-Sicherheit oder auch Schutz von Geschäftsgeheimnissen umfassen. Diese Inhalte werden dann sinnvollerweise durch Schulungen zusätzlich vermittelt, um im Rahmen dieser Trainings auch noch individuelle Risikoszenarien deutlicher zu beleuchten und gezielt Verhaltensempfehlungen zu geben.

Internes Kontrollsystem (IKS) und Risikomanagementsystem (RMS)

Bereits vorhandene Ablaufbeschreibungen, das interne Kontrollsystem (IKS) sowie das Risikomanagementsystem (RMS) müssen auf die neue Situation angepasst werden. Auf diese Art und Weise wird das Homeoffice ein fester und geregelter Bestandteil im Unternehmen. Zum Beispiel können hier bereits bestehende Regelungen für Mitarbeiter im Bereich Außendienst mit aufgenommen werden.

Mit diesen Änderungen und Ergänzungen bei bestehenden und neuen schriftlichen Arbeitsanweisungen und Verhaltenskodexen muss den Mitarbeitern aber auch eine technische Ausstattung (Tablets, Notebooks, PC, USB, Smartphone) gestellt werden, um die Arbeiten zu Hause in einem möglichst geschützten Umfeld vornehmen zu können.

Mit einer so erfolgenden Integration in die Management Systeme vermeidet die Unternehmensleitung auch den Vorwurf des Organisationsverschuldens, der sich ergeben könnte, wenn durch Fehlverhalten von Mitarbeitern in Ermangelung von Verhaltensanweisungen Schadensfälle eintreten.

Ausblick

Betrachtet man eine der ersten, aktuellen Studien in Deutschland aus dem Jahr 2020, die sich mit Homeoffice in Zeiten der Pandemie auseinandersetzt, ist im Hinblick auf die Zukunft der Thematik Homeoffice im Unternehmen die Kernaussage zu treffen: Auch nach der Corona-Krise werden Unternehmen verstärkt auf Homeoffice-Arbeitsplätze setzen!

Für ¾ der Befragten Teilnehmer (74%) wird sich nach der Pandemie und der Corona-Krise die Option Homeoffice durchsetzen. Sehr viele Unternehmen, die Anfang 2020 gezwungenermaßen Mitarbeiter in das Homeoffice entsenden mussten, sehen genau diese Option perspektivisch als die grundlegende und zukunftsorientierte interne Veränderung im Unternehmen. Wenn noch nicht geschehen, so ist es jetzt an der Zeit, Grundlagen und Vorsausetzungen zu schaffen, ob nun im IT-Bereich, im Hinblick auf arbeitsrechtliche Vorgaben für die Mitarbeiter oder im Segment Compliance, um strukturelle Änderungen perspektivisch vorzubereiten und durchzusetzen.

Den Homeoffice-Arbeitsplätzen und Cloud-Anwendungen wird die Zukunft gehören, und dies gilt ausdrücklich nicht nur für Großunternehmen, sondern gleichermaßen für Klein- und mittelständische Unternehmen.

Epilog:

»Die Zukunft kommt nicht – sie wird von uns gemacht! Die Frage ist nicht: Wie werden wir leben? Sondern: Wie wollen wir leben?«
Richard David Precht (* 8. Dezember 1964), deutscher Philosoph, Schriftsteller, Publizist und Moderator aus seinem Buch „Jäger, Hirten, Kritiker“ / 2020

Quellenangaben:

Studie: Cybercrime – Sonderauswertung Cybercrime in Zeiten der Corona-Pandemie – Bundeskriminalamt / 2020
Studie: Studying How Cybercriminals Prey on the COVID-19 Pandemic / Unit 42 / 2020
Studie: Corona macht Homeoffice massentauglich / Bitkom Research / 2020
Ergänzungen: Rosalie Aigner – Referentin für Datenschutz und Informationssicherheit (Lufthansa CityLine)

Compliance-Ausbildung im WIRTSCHAFTScampus

Auch in der Zeit von Corona sind unsere Compliance-Weiterbildungen für alle unsere Teilnehmer gesichert. Nutzen Sie mit dem WIRTSCHAFTScampus die Möglichkeit zur zertifizierten Ausbildung im Bereich Compliance Management. Der WIRTSCHAFTScampus bietet die aufeinander abgestimmten Fernlehrgänge im Bereich Compliance Management an:

Certified Compliance Officer
Certified Chief Compliance Officer
Tax Compliance Officer
IT Compliance Officer

Compliance und Weihnachten 2019

Prolog:

„Wenn es heißt, ein Mensch sei unbestechlich, frage ich mich unwillkürlich, ob man ihm genug geboten hat.“
Joseph Fouché (1759 – 1820), Herzog von Otranto, französischer Politiker

Alle Jahre wieder: Compliance und Geschenke

Ein Thema, welches nichts an Aktualität und Präsenz verloren hat. Auch in diesem Jahr ist wieder Weihnachten und daher möchten wir auch unseren früheren Blogbeitrag zum Thema Compliance und Geschenke aktualisieren. Weiterführende Informationen zu dieser Thematik finden Sie natürlich etwas weiter unten in unseren Beiträgen aus den Jahren 2018 und 2017.

Damit ein Unternehmen bei der Entscheidung, wer Geschenke zum Weihnachtsfest (oder ausdrücklich zu einer anderen Gelegenheit wie Geburtstag oder Jubiläum) erhält, keine Fehler macht, und welche Gefahren in Bezug auf Compliance und Geschenke lauern, sollte man sich im ersten Schritt immer über die Compliance-Richtlinien des anderen Unternehmens informieren. Sollten diese nicht frei zugänglich sein, zum Beispiel über einen Download über die Unternehmens-Webseite, sollten diese unbedingt angefordert werden.

Weiterhin sollten die nachfolgenden „Regeln“ unbedingt beachtet werden, um Gefährdungen gegen das eigene Unternehmen auszuschließen:

  • Erwecken Sie niemals auch nur den Verdacht auf Bestechung. Eine Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr ist nach § 299 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar.
  • Geschenke über 35,00 € netto bedeuten einen geldwerten Vorteil für den Beschenkten und müssen zwingend offengelegt und versteuert werden. Diese Grenze sollte auf jeden Fall nicht überschritten werden. Sollte es interne Gründe geben, dass diese Grenze überschritten werden soll, können Unternehmen selbst die Versteuerung der Geschenke übernehmen. Geschieht dies, entfällt die Besteuerung bei demjenigen, der das Geschenk erhält.
  • Auch bei den sogenannten (geringwertigen) Werbegeschenken sollte man als Unternehmen eine nachvollziehbare monetäre Grenze setzen. Momentan gibt es in Deutschland zwar keine gesetzlich festgelegte Wertobergrenze für Werbe- und Streuartikel, doch auch hier sollte ein finanzieller Rahmen von maximal 50,00 € eingehalten werden, um sich nicht angreifbar zu machen.
  • Im Hinblick auf Geschenke für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ist besondere Vorsicht geboten. Beamte dürfen in der Regel gar keine Geschenke annehmen (§§ 331 ff. StGB). Gleiches gilt für Mitarbeiter aus dem Banken- und Finanzsektor oder dem Gesundheitswesen.
  • Bei dem Versand von Weihnachtsgeschenken sollte ausdrücklich immer und grundsätzlich die Adresse des Unternehmens und in keinem Fall eine Privatadresse verwendet werden. Der Verdacht, dass Dritte nichts von diesem Geschenk erfahren sollen, liegt sonst sehr nahe.
  • Selbstverständlich darf an das (Weihnachts-) Geschenk niemals eine Gegenleistung geknüpft sein, welche zum Beispiel im Zusammenhang mit einem Geschäftsabschluss stehen könnte. Ansonsten besteht hier sehr schnell die Gefahr des Verdachts auf Korruption, unzulässiger Einflussnahme oder Bestechung.

Beispiel Bestechung

Dass es sich im Hinblick auf Geschenke, die den Verdacht oder Tatbestand einer Bestechung erfüllen, nicht um ein marginales Verbrechen handelt, zeigt hier schnell der Blick in das Gesetzbuch. Im § 299 des Strafgesetzbuches ist eindeutig definiert:

     Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge […]

Es gilt also Vorsicht bei der Auswahl und dem Verwendungszweck von Geschenken, sei es zu Weihnachten oder zu anderen Anlässen wie Jubiläen, Vertragsunterzeichnung oder Geburtstagen.

Können Geschenke von der Steuer abgesetzt werden?

Ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf Weihnachtsgeschenke oder Präsente sind zu entrichtende Steuern an das Finanzamt. Grundsätzlich können Unternehmen die Kosten für Geschenke steuerlich geltend machen. Hier gilt es aber, die nachfolgenden Regularien dringend intern zu beachten:

Bei dem Präsent muss es sich um ein abzugsfähiges Geschenk handeln. Diese juristische Definition heißt, dass ein Geschenk an Kunden nur dann abzugsfähig ist, wenn es sich tatsächlich um ein Kundenpräsent im eigentlichen Sinne handelt. In der Praxis heiß dies: Das Geschenk muss aus ausdrücklich betrieblichen Gründen gemacht werden und darf niemals an eine Gegenleistung geknüpft sein. Wird das Geschenk, zum Beispiel zu Weihnachten, dafür verwendet, eine Geschäftsbeziehung aufzubauen, zu verlängern oder zu verbessern bzw. sich für eine gute Zusammenarbeit über das gesamte Geschäftsjahr zu bedanken, kann es in der Regel steuerlich abgesetzt werden.

Auch die Art des Kundengeschenks ist ein wesentlicher Faktor im Hinblick auf die steuerliche Anerkennung. Handelt es sich hier um typische Geschenke wie Blumen, Gutscheine, eine Flasche Wein oder Esswaren wie Schokolade oder Lebkuchen, so sind diese als unproblematisch für eine steuerliche Anerkennung zu bezeichnen. Rabatte sind nicht als Kundengeschenk absetzbar, da diese an einen Kauf geknüpft sind. Ebenso können Warenproben nicht als Präsente bei der Steuer geltend gemacht werden.

Wieviel darf es denn kosten?

Der Wert des steuerlich abzusetzenden Geschenks darf den Betrag von 35 Euro pro Jahr nicht überschreiten, da es ansonsten nicht möglich ist, dies als Betriebsausgaben zu verbuchen. Hier handelt es sich um eine sogenannte Freigrenze. Wenn diese überschritten wird, ist der gesamte Betrag nicht mehr als Betriebsausgaben buchbar. Für vorzugsabzugsberechtigte Personen handelt es sich um eine Nettogrenze.

Eine Dokumentation der Adresse, wie oben beschrieben, bzw. einer Aufstellung, welches Geschenk welcher Geschäftspartner erhalten hat, ist Pflicht. Sollte es hier Nachfragen durch das Finanzamt im Hinblick auf die Betriebsausgaben geben, so kann durch diese Angaben zweifelsfrei dargestellt werden, welche Ausgaben in welchem Zusammenhang stehen.

Wenn doch hochpreisige Geschenke gemacht werden, müssen Unternehmen daran denken, diese selbst zu besteuern. Als Grundlage gilt hier § 37 des Einkommensteuergesetzes mit einem pauschalen Steuersatz von 30 Prozent plus Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. § 37 des Einkommensteuergesetzes definiert hier:

    Steuerpflichtige können die Einkommensteuer einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, und Geschenke im Sinne des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1, die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 Prozent erheben.

Berücksichtigt das Unternehmen dies nicht, so muss der Empfänger des Kundengeschenks bei einer Prüfung durch das Finanzamt die Steuern nach seinem persönlichen Einkommenssteuersatz zahlen.

Berücksichtigen Sie diese Punkte und Regularien bei Geschenken im Hinblick auf das kommende Weihnachtsfest zusammen mit unserem ausführlichen Blogbeitrag aus dem Jahr 2018, so gibt es keinen Grund, Mitarbeitern oder Geschäftspartnern keine Freude für das kommende Weihnachtsfest 2019 zu bereiten.

Ankündigung: Die IT-Compliance Officer – Ausbildung in 2020

Ab dem Jahr 2020 wird der WIRTSCHAFTScampus als neuen Fernlehrgang die Ausbildung zum Certified IT Compliance Officer anbieten.

Der Certified IT Compliance Officer hat die Aufgabe, das Unternehmen vor allen wirtschaftlichen Schäden zu schützen, welche sich im thematischen Umfeld der IT aus Rechtsverletzungen ergeben. Seine Aufgabe ist es, das Unternehmen insbesondere vor Strafen, Buß- und Zwangsgeldern, Schadensersatzansprüchen und erhöhten Steuerzahlungen bei Verstößen gegen die Steuergesetze oder vor Schätzungen durch das Finanzamt zu bewahren.

Die Tätigkeit des Certified IT Compliance Officers und dessen Integration in die bestehende Compliance-Struktur des Unternehmens beinhaltet aber nicht nur reine Präventionsmaßnahmen, sondern führt auch zu nachhaltigen Vorteilen im Unternehmen:

  • Gesteigerte Effizienz und Qualität von IT-Prozessen
  • Gesteigerte Sicherheit bei IT-Prozessen
  • Einsparung von Kosten, zum Beispiel durch Automatisierung
  • Steigerung des Unternehmenswertes, zum Beispiel durch Risikovermeidung

Das Fernstudium zum Certified IT Compliance Officer ist ab sofort buchbar.

Compliance und Automobilhersteller


Prolog:
„Klar ist: Volkswagen duldet keine Regel- oder Gesetzesverstöße jedweder Art.“
Der damalige VW-Chef Martin Winterkorn nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen in den USA am 20. September 2015.

Compliance-Berichte deutscher Automobilhersteller in den Jahresabschlüssen 2018

Im Folgenden werden die Compliance-Berichte der drei Automobilhersteller BMW, Daimler und VW analysiert. Der Umfang der Berichte bewegt sich zwischen drei (Daimler) und vier Seiten (BMW und VW). Allerding fügt Daimler noch eine Erweiterung über Antikorruption-, Antitrust-, Technical-, Daten-, Anti Financial Crime- und Menschenrechts-Compliance an. Diese Spezialteile bleiben bei dieser Analyse außen vor. Der Dieselskandal ist noch nicht ausgestanden; die Feinstaub-Debatte ebenso wie die Diskussion um das Dieselfahrverbot geht weiter. Dennoch findet man dazu nur im Compliance-Bericht von VW einen Hinweis unter der Bezeichnung „Dieselthematik“, die zu einem erheblichen Vertrauensverlust beigetragen habe. Die Compliance-Organisation der Hersteller wurde – vielleicht unter dem Einfluss des Dieselskandals – in der Zwischenzeit neugestaltet.

Alle Berichte beginnen mit einem Bekenntnis zur Compliance.

„Unser Anspruch ist es, dass weltweit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Aufgaben stets im Einklang mit den gültigen Gesetzen, Regeln, freiwilligen Selbstverpflichtungen und unseren Werten erfüllen (Quelle 1).

An späterer Stelle wird bei VW dazu ausgeführt, dass kriminelle Handlungen Einzelner niemals vollständig verhindert werden können. Das ist eigentlich selbstverständlich. Es ist aber die Frage, ob kriminelle Handlungen mehrerer Personen auch nicht zu verhindern sind.

Organisatorische Einbindung von Compliance

Der Anspruch auf Compliance wird durch eine entsprechende organisatorische Gestaltung gestützt. So hat VW seit April 2017 den eigenen Bereich Group Compliance gebildet, der eine direkte Berichtslinie an den Vorstand für Integration und Recht besitzt und zudem an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats berichtet (Quelle 2). Die Compliance-Organisation umfasst divisionale und regionale Compliance-Büros. Zudem wurde das Group Compliance Committee unter dem Vorsitz des Vorstands für Integrität und Recht gegründet. Angaben zum Umfang des Committees enthält der Bericht nicht. BMW hat ebenfalls vor mehreren Jahren ein Compliance Committee eingerichtet und die Einführung eines Compliance Management-Systems in die BMW Group veranlasst.

Das Committee setzt sich zusammen aus den Leitern der Bereiche Recht und Patente, Konzernkommunikation und Politik, Konzernrevision, Konzernberichtswesen, Organisationsentwicklung sowie Konzernpersonalwesen. (Quelle 3). Damit sind alle relevanten Bereiche in diesem Committee vertreten. Das Compliance Committee berichtet regelmäßig an den Vorstand und an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats. Das Group Compliance Committee Office ist mit 14 Personen besetzt. Im Jahr 2017 wurde die Einrichtung von 72 lokalen Compliance-Funktionen abgeschlossen, das mit einem Netzwerk von 210 Compliance-Verantwortlichen verbunden ist.

Die Compliance-Organisation von Daimler ist divisional und regional aufgestellt. Für die Unterstützung der Geschäftsfelder steht jeweils ein funktionaler, divisionaler oder regionaler Ansprechpartner zur Verfügung. Die Compliance-Verantwortlichen aus diesen Bereichen berichten an den Chief Compliance Officer, wodurch die Unabhängigkeit von den Geschäftsfeldern gesichert werden soll. Der Chief Compliance Officer berichtet direkt an das Vorstandsmitglied für Integrität und Recht sowie an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats. Regelmäßig wird der Vorstand der Daimler AG über den Status des CMS und dessen Weiterentwicklung informiert. Die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter im Compliance-Bereich wird nicht genannt.

Mit der Bezeichnung Integration und Recht für das Vorstandsressort wird deutlich, dass nicht nur die Durchsetzung der Compliance mit Sanktionen betrieben werden soll, sondern die Integrität der Mitarbeiter ebenfalls im Fokus steht. Compliance wird von der organisatorischen Einbindung hohe Bedeutung zugemessen, was durch die Berichtslinie an den Vorstand und den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats zum Ausdruck kommt.

Training der Mitarbeiter

Im Nachfolgenden werden die Bestandteile des Compliance Management-Systems beschrieben, das mehr oder weniger nach dem PS 980 oder dem ISO 19600 behandelt wird. Die Aussagen sind dazu unterschiedlich konkret. So betont VW, dass 2017 219.000 Beschäftigte in unterschiedlichen Formaten zu Compliance-Themen geschult wurden. Daneben erfolgten zielgruppenspezifische Schulungen. Innerhalb einer Volkswagen Convention „Integrität, Kultur und Compliance“ wurden 7.300 Mitarbeiter- und Führungskräfte mit dem Veränderungsprozess bei Volkswagen vertraut gemacht.

Bei BMW wurden weltweit über 41.000 Führungskräfte und Mitarbeiter über die Grundlagen von Compliance geschult. Das Training enthält einen Abschlusstest. Die erfolgreiche Teilnahme an dem Training wird durch ein Zertifikat bescheinigt, dass für alle Führungskräfte von VW verpflichtend ist. Bei Neueinstellungen und Beförderungen von Führungskräften ist das Compliance Training Standard. Daneben werden zielgruppenspezifische Trainingsmaßnahmen zu bestimmten Themen, wie Kartellrechts-Compliance durchgeführt. Seit 2011 wurden insgesamt 24.000 Führungskräfte und Mitarbeiter durch Online-Schulungen mit diesen Themen vertraut gemacht. Präsenzschulungen erfolgten 2017 für insgesamt 1.900 Führungskräfte und Mitarbeiter, die an Austauschtreffen mit Wettbewerbern teilnehmen. Spezielle Compliance Market Coachings waren Gegenstand bei internationalen Vertriebs- und Finanzpartnern.

Bei Daimler steht ein webbasiertes zielgruppenorientiertes Trainingsprogramm zur Verfügung, das modular aufgebaut ist und neben einem Basisprogramm auch ein spezifisches Model für Führungskräfte enthält. Die relevanten Module sind bei der Einstellung, Beförderung oder bei einem Wechsel zu absolvieren. Regulär muss das Programm alle drei Jahre absolviert werden. Ergänzt wird das Trainingsangebot durch Präsenzschulungen. 2018 gab es bei Präsenz- und webbasierten Trainings insgesamt rund 220.000 Teilnehmer. Angeboten werden darüber hinaus zielgruppenspezifische Qualifizierungsmaßnahmen. Alle neuen Mitarbeiter erhalten eine umfassende Einführung im Rahmen des Einführungs-Programms.

Die umfangreiche Schilderung der Schulungsmaßnahmen bei allen drei Unternehmen zeigt die Bedeutung auf, die diese Unternehmen der Schulung der Mitarbeiter hinsichtlich Compliance beimessen. Damit möchte man wohl auch dem Vorwurf entgegentreten, es werde nicht genug getan, um wirtschaftskriminelles Verhalten zu unterbinden. Allerdings sagt die Schulung nichts über den Erfolg der Schulungsmaßnahme aus. Hier müsste ein Absinken doloser Handlungen durch Führungskräfte und Mitarbeiter festzustellen sein. VW verfolgt eine Compliance-Kennzahl „Regeleinhaltung, Prozesssicherheit und Fehlerkultur“.

Die Kennzahl basiert auf der Auswertung von Antworten zu Fragen bezüglich des Stimmungsbarometers zur Einhaltung von Regelungen und Prozessen. Diese Kennzahl verbesserte sich 2017 auf 79,67 % zu 79,03 % in 2016. Ob damit eine deutliche Verbesserung eingetreten ist, kann aus den Zahlen für die Jahre 2016 und 2017 nicht abgeleitet werden.

Hinweisgebersystem

Dem Hinweisgebersystem wird bei allen drei Unternehmen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Bei Daimler ermöglicht das Hinweisgebersystem weltweit Beschäftigten und externen Hinweisgebern, Regelverstöße zu melden. Mit einer weltweit gültigen Konzernrichtlinie wird das Ziel verfolgt, eine faire und transparente Vorgehensweise zu ermöglichen, die sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für den Betroffenen als auch den Schutz des Hinweisgebers berücksichtigt. In 2018 wurden 89 Fälle neu angelegt und 101 Fälle geschlossen, davon 60 als zutreffend. Die wirtschaftskriminellen Handlungen bestanden in Korruption, Diebstahl, Untreue und Bereicherungsdelikten sowie Schadensfällen über 100.000 €.

Bei BMW wird den Mitarbeitern – offensichtlich nicht externen – die Möglichkeit gegeben, Hinweise auf mögliche Rechtsverstöße im Unternehmen anonym und vertraulich abzugeben. Diese Telefon-Line ist in sämtlichen Ländern, in denen BMW Mitarbeiter tätig sind über lokale kostenfreie Rufnummern in 34 Sprachen zu erreichen. Die Anfragen und Hinweise werden vom Compliance Committee Office dokumentiert und bearbeitet. Nähere Angaben zu Art und Umfang der Fälle finden sich hier nicht.

VW versteht unter einem Hinweisgebersystem sowohl die internen als auch die externen Anlaufstellen, bei denen Mitarbeiter und Externe Hinweise zu potenziellen schweren Verstößen melden können. Dieses Hinweisgebersystem wurde bereits 2006 bei VW eingeführt und im Jahr 2017 verbessert und teilweise neu geordnet. Zum 1. November 2017 erfolgte nochmals eine Optimierung des Verfahrens, um Hinweisen schneller, fairer und transparenter nachgehen zu können. Durch die Neugestaltung des Hinweisgebersystems 2017 wurde eine konzerneinheitliche Handhabung erreicht. Konzernweit wurden 2017 1.489 Hinweise registriert. Weiterhin heißt es dazu lapidar, dass bei allen substantiierten Hinweisen Untersuchungen durchgeführt werden und festgestelltes Fehlverhalten sanktioniert wird.

Fasst man diese drei Bestandteile nochmals zusammen, dann wird die Bedeutung von Compliance durch die organisatorische Einbettung unterstrichen. Zudem werden alle Mitarbeiter regelmäßig hinsichtlich Compliance geschult. Durch das konzernweite Hinweisgebersysteme hat jeder Mitarbeiter die Möglichkeit Auffälligkeiten oder Fehlverhalten zu melden. Wie konnte es dann zum „Dieselskandal“ kommen, wenn unterstellt wird, es handele sich nicht nur um das Fehlverhalten einer einzigen Person, was nicht aufrechterhalten werden kann. Mehrere Personen waren beteiligt und keiner hat einen Hinweis auf das Fehlverhalten gegeben. Deshalb die Frage, ob die Mitarbeiter insgesamt so „mutig“ sind, eine Meldung über Fehlverhalten abzugeben, und ob im Konzern wirklich ein Interesse daran besteht, dass eine Vielzahl von Meldungen über das Hinweisgebersystem eingehen.

Couragiertes Handeln von Whistleblowern

Das Geben von Hinweisen ist mit Risiken verbunden. Whistleblower sind bereit, moralische Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und setzen sich der Gefahr von Repressalien aus. Damit ist eine besondere Form von Mut gefordert, weil existenzielle Risiken und Abhängigkeiten die Folge sein können. Es erfordert schon ein gerütteltes Maß an Zivilcourage, eine Meldung abzugeben, die nicht unmittelbar auf das Wohlwollen der Empfänger trifft. Sieben Konfliktlagen sind dafür verantwortlich, dass ein Mitarbeiter zum Whistleblower wird:

• Der Arbeitgeber erwartet vom Arbeitnehmer, dass er gegen berufliche Standards verstößt, z.B. im Interesse von Auftraggebern.
• Nach einem Schadensfall sollen Informationen gegenüber Behörden, Untersuchungsgremien oder der Öffentlichkeit verschwiegen werden.
• Wichtige Dokumente werden unterdrückt.
• Innerbetriebliche Missstände werden vom Arbeitgeber nicht abgestellt.
• Praktiken des Unternehmens verstoßen gegen das nationale Recht.
• Internationale Abkommen oder Gesetze werden verletzt.
• Die unternehmerische Tätigkeit birgt erhebliche Gefahren gegen die Natur oder/und die Gesundheit der Menschen. (Quelle 4).

Für den Hinweisgeber entsteht nun ein Prozess der Abwägung zwischen seiner Loyalität zum Unternehmen und seiner ethischen Verantwortung. Whistleblower wollen Schäden ihrer Arbeitswelt abwenden und nehmen dafür persönliche Nachteile in Kauf. Nach einer Befragung in USA litten 77,1 % dauerhaft an Schlafstörungen, 80,7 % unter Angstzuständen, 25,6 % konsumierten häufiger Alkohol und bekamen Morddrohungen (Quelle 5). Es gibt wenige prominente Fälle, in denen der Whistleblower für sein couragiertes Verhalten ausgezeichnet wurde, weil er mutig gegen übermächtige Konzerne angetreten ist. Daneben steht die große Zahl anonym gebliebener Fälle, die immer noch auf Gerechtigkeit und Rehabilitierung warten.

Couragiertes Verhalten ist abhängig von einer Reihe handlungsleitender Einflüsse auf das Individuum. Hier kann zwischen den situativen Faktoren und den personalen Faktoren unterschieden werden. Zu den situativen Faktoren zählt das Ereignis selbst: Ist die Verletzung der Norm eindeutig und überschaubar, und welche Risiken sind mit dem illegalen Verhalten verbunden. Wichtig ist zudem die Unterstützung, die der Whistleblower über das Betriebsklima, sowie die Zustimmung und Förderung erwarten kann. Betrachtet man die personalen Faktoren, so zählt dazu das Selbstvertrauen und das Vertrauen zu anderen. Hinzu kommt die Überzeugung, etwas bewirken zu können. Entscheidend ist aber die moralische Urteilsfähigkeit des Individuums.

Organisatorische Situationen können dazu führen, dass das Individuum entmutigt wird und zum vertrauten Weg zurückkehrt, weil Bestrafung droht oder die Person benachteiligt wird. In diesen Fällen folgen die Individuen nicht mehr ihrem moralischen Kompass (Quelle 6).

Hinweisgeber sind dann wohl gelitten, wenn sie wirtschaftskriminelles Handeln von Kollegen und Mitarbeitern aufdecken. Geht es um Top Management Fraud wird ein Übermaß an couragiertem Handeln verlangt, wenn der Whistleblower die für ihn möglichen negativen Folgen bedenkt. Eine Lösung des Problems zeichnet sich hier nicht ab. Von den Überwachungsinstitutionen Aufsichtsrat, Abschlussprüfer und Interne Revision ist ein hohes Maß an intensiver Beschäftigung mit den sensiblen Vorgängen zu verlangen.

Die Compliance-Organisation sollte dafür Sorge tragen, dass auch die Unternehmensführung in ihr Betätigungsfeld einbezogen wird. Letztendlich wird immer an das ethische Verhalten der beteiligten Personen appelliert.

Quellenangaben:

Quelle 1: Vgl. Daimler: Geschäftsbericht Nichtfinanzieller Bericht, S. 217.
Quelle 2: Vgl. VW: Geschäftsbericht Corporate Governance-Bericht, S. 63.
Quelle 3: Vgl. BMW: Geschäftsbericht Compliance in der BMW Group S. 216.
Quelle 4: Vgl. Deiseroth: Zivilcourage am Arbeitsplatz – Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Reinhold/Löhr/Blickie: Wirtschaftsbürger oder Marktopfer? München und Mering 2001, S. 108ff.
Quelle 5: Vgl. Prätorius: Zur politischen Kultur von Loyalitätskonflikten am Beispiel der “Whistleblower”; in: Korenke: Politische Deutungskulturen, Baden-Baden 1999, S. 115.
Quelle 6: Vgl. Comer/Vega: The Personal Ethical Treshold; in Comer/Vega: Moral Courage in Organizations – Doing the Right Thing at Work, New York 2011, S. 27.

Weiterbildung Compliance

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Certified Compliance Officer: Die Inhalte des Fernstudiums Certified Compliance Officer beinhalten u.a. Innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS), Risikomanagementsystem (RMS), Ethik-Kodex, Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance-Management-Systemen IDW PS 980, ISO 19600 – Richtlinien für ein Compliance Management System, ISO 37001 – Standard zur Antikorruption.

Certified Chief Compliance Officer: Die Inhalte des Fernstudiums Certified Chief Compliance Officer beinhalten u.a. Compliance von Lieferanten und Kunden, Compliance und M&A, Compliance und IT, Compliance auf Führungsebene, Haftung der Geschäftsführung, Arbeitsrecht und Compliance, Kartell- und Wettbewerbsrecht, Geldwäsche, ISO 19600.

Weiterhin ist die Ausbildung zum Certified Tax Compliance Officer jederzeit möglich.

Compliance und Ethik-Leitlinien

Prolog:

Es war einmal ein Mädchen, dem wurde eindeutig eine rote Kappe zugeordnet, wodurch es als Rotkäppchen definiert wurde. „Kind“, argumentierte die Mutter, „werde kreativ, mathematisiere die kürzeste Verbindung zur Großmutter, analysiere aber nicht die Blumen am Wege, sondern formuliere deinen Weg in systematischer Ordnung.“
Friedrich Wille (* 5. Januar 1935; † 9. August 1992), deutscher Mathematiker und Professor an der Universität Kassel.

Die ethischen KI-Leitlinien der europäischen Union (EU)

Bereits im Oktober 2018 haben wir hier in unserem Blog mit dem Beitrag Compliance und Maschinenwesen (RPA) ausführlich über die neuen Möglichkeiten und Gefahren von Robotern und künstlicher Intelligenz (KI) berichtet.

Aus aktuellem Grund möchten wir diesen Beitrag ergänzen, da die europäische Union (EU) ein 52-köpfiges internationales Expertenteam beauftragt hat, zum ersten Mal ethische Leitlinien im Hinblick auf KI und Compliance zu erstellen. Am 8. April 2019 wurden nun diese Leitlinien durch die EU veröffentlicht. Zu den Grundinhalten dieser ethischen Leitlinien gehören:

  • Vorrang menschlichen Handelns und menschlicher Aufsicht
  • Robustheit und Sicherheit
  • Privatsphäre und Datenqualitätsmanagement
  • Transparenz
  • Vielfalt, Nichtdiskriminierung und Fairness
  • gesellschaftliches und ökologisches Wohlergehen
  • Rechenschaftspflicht

Bevor wir nun hier in unserem Compliance Blog diese Leitlinien veröffentlichen, ein kurzer Einstieg in die Thematik. Ausführlich wird das Thema etwas weiter unten in unserem Blog-Beitrag beschrieben.

Künstliche Intelligenz (KI) – Ein alter Hut

Ist Künstliche Intelligenz eine innovative und neue Thematik unserer Zeit? Sicher nicht! Der Begriff selbst wurde bereits im Jahr 1955 erstmals von John McCarthy erwähnt und definiert. Für McCarthy bestand das Ziel von KI darin, „Maschinen zu entwickeln, die sich verhalten, als verfügten sie über Intelligenz.“ Einige Jahre später erfand der Wissenschaftler den legendären LISP-Computer, der Programme schrieb, die sich selbst verändern konnten. Bereits hier zeigt sich eine der grundlegenden und typischen Eigenschaften von KI-Algorithmen.

Die Programmiersprache LISP (englisch List Processing / deutsch Listen-Verarbeitung) gilt nach Fortran (IBM / 1953) als zweitälteste Programmiersprache der Welt, die bis heute noch verbreitet und genutzt wird.

Was bedeutet KI?

Die Künstliche Intelligenz (KI) bietet schon jetzt Unternehmen aus vielen Branchen extrem hohe Möglichkeiten und Chancen. Nimmt man als Ansatz die Wechselwirkung zwischen dem unternehmerischen Risiko und den gesetzten Zielen, sieht man schnell, welchen Beitrag Künstliche Intelligenz für Compliance, Governance and Risk Aktivitäten für das Unternehmen erzielen kann.

Laut einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2019 sehen 500 Unternehmen in Deutschland den Einsatz von KI in den Segmenten:

  • Datenanalyse für Entscheidungsprozesse (70%)
  • Prozessautomatisierung bestehender Geschäftsprozesse (63%)
  • Chatbots (47%)
  • wesentlicher Bestandteil neuer digitaler Geschäftsmodelle (44%)
  • Speech Processing (42%)
  • Bestandteil von Produkten und Dienstleistungen (39%)

Betrachtet man nur die beiden erst genannten Einsatzmöglichkeiten von KI, welche für ein Unternehmen bereits jetzt oder in der nahen Zukunft an Wichtigkeit gewinnen werden, so erkennt man schnell, wie sehr sich die KI in das Aufgabenumfeld eines Compliance Officers integrieren wird. Kontrolliert momentan der Mensch noch die Daten für Entscheidungen oder ist ein Mensch maßgeblich in die laufenden Geschäfts- und Entscheidungsprozesse eingebunden und verantwortlich, so wird in der Zukunft die KI immer mehr in diese internen Abläufe eingreifen. Genau hier definieren sich neue Risiken im Unternehmen und neue Aufgabenbereiche der Compliance.

Neue Aufgabenbereiche und Risiken

Darüber hinaus verändert der Einsatz von KI und Robotern in der Produktion oder Chatbots im Unternehmen auch die Risikoszenarien. Der Arbeitsschutz und die Arbeitszeiten spielen bei einem KI-gestützten Roboter natürlich keine Rolle, auch die Frage der Korruption stellt sich bei einem KI-gestützten Algorithmus nicht. Der Umkehrschluss ist, dass sich demzufolge neue Fragen und Aufgabenbereiche zu Compliance, Governance and Risk Aktivitäten im Unternehmen der Zukunft stellen:

  • Ist die Software oder der Roboter extern manipulierbar?
  • Sind die Quellcodes nicht einsehbar und geschützt?
  • Wie schützt man sich gegen Hackerangriffe?
  • Sind die Veränderungen durch KI nachvollziehbar und transparent?
  • Wie kommuniziert das Unternehmen den Einsatz von KI?
  • Entspricht das gewünschte Ergebnis immer den rational optimierten Anwendungen von internen oder externen Ressourcen?
  • Was macht die Compliance-Abteilung, wenn Software falsch programmiert ist, also das Ergebnis oder die Handlung (Output) nicht dem geplanten, gewollten oder gewünschten Ergebnis entspricht?

Momentan bestehen die Aufgaben eines Compliance Officers in der Kontrolle und Analyse menschlichen Handelns zur Vermeidung von Risiken oder in der Aufdeckung und Abwehr von Gefahren, die intern oder extern das Unternehmen bedrohen. Ein logischer und unabdingbarer Schritt, zum Beispiel mit der Ausbildung und Integration eines IT-Compliance Officers, wird es sein, diesen Gefahren und Risiken in der Zukunft entgegen zu treten. Gleiches gilt selbstverständlich auch bei der Entwicklung neuer Produkte oder Unternehmensschwerpunkte. Hier müssen bereits bei der frühen Planung neue Risiko-Szenarien, ausdrücklich auch im Bereich der Compliance, in Verbindung mit den Möglichkeiten durch KI, mit einfließen und signifikant beachtet werden.

Was genau ist aber nun KI eigentlich?

Der Begriff der Künstlichen Intelligenz wird definiert als die Wissenschaft und Entwicklung intelligenter Maschinen und Computerprogramme zur Umsetzung unternehmerischer Anforderungen und Ziele. Explizit geht es um die Entwicklung und Realisation eines Computergehirns, welches wie ein Mensch denkt und agiert bzw. um Maschinen und Roboter, die nicht nur Handlungen, sondern im weiteren auch Entscheidungen übernehmen werden.

Intelligenz: Ich lerne, Du lernst, Wir lernen

Es steht außer Frage: KI ist bereits jetzt, obwohl in vielen Branchen noch im Anfangsstadium, nicht nur einer der wichtigsten technologischen Fortschritte unserer Zeit, sondern wird unausweichlich wegweisend für einen Großteil der gesamten Geschäftswelt in den kommenden Jahren sein. Ob nun im geschäftlichen oder privaten Bereich, wird man sich dieser Technologie nicht entziehen können.

Alles dies setzt eines zwingend voraus: Intelligenz.

Der Begriff Intelligenz leitet sich vom dem lateinischen Wort »intellegere« ab, was so viel wie »verstehen, erkennen, einsehen« bedeutet und damit bereits anhand dieser Übersetzung auf eine schnelle Auffassungsgabe in gleichermaßen vertrauten und ungewohnten Situationen verweist. Vereinfachend wird Intelligenz definiert als die Fähigkeit des Geistes, Zusammenhänge zu erkennen und Probleme zu lösen. Doch eine einzige, allgemeingültige Definition gibt es nicht.

Nach dem heute gängigen Drei-Schichten-Modell aus dem Jahr 1993 von John Bissell „Jack“ Carroll, einem US-amerikanischen pädagogischen Psychologen, Psycholinguisten und Intelligenzforscher, dürfen wir uns die menschliche Intelligenz wie ein Unternehmen im Gehirn vorstellen, in der es einen Vorstand (Generalfaktor), mehrere Abteilungen (Sekundärfaktoren) und bis zu 70 Arbeitsgruppen (Einzelfaktoren) gibt. Mit der Künstlichen Intelligenz setzt sich dieses Drei Schichten Modell fort, natürlich mit anderen – aber doch dem der menschlichen Intelligenz zumindest vergleichbaren – Faktoren.

Die Evolution der Künstlichen Intelligenz ist vergleichbar zu einem Schirm. Maschinelles Lernen und Deep Learning sind beide unter dem Schirm der Künstlichen Intelligenz angesiedelt und zwar genau in dieser Reihenfolge. Ohne Künstliche Intelligenz gäbe es kein Maschinelles Lernen. Und Deep Learning hat seinen Ursprung im Maschinellen Lernen. Trotzdem wäre es durchaus logisch, den Schirm einfach umzudrehen. Denn für Deep Learning sind nach oben keine Grenzen gesetzt.

Der Unterschied zwischen den drei Arten von Künstlicher Intelligenz und Lernen lässt sich einfach verstehen, wenn man diese mit vertrauten Prozessen des Trainings und der Ausbildung vergleicht.

  • Künstliche Intelligenz ähnelt dem Vorgang, einem Auszubildenden genau die Information zu vermitteln, die er lernen soll.
  • Maschinelle Intelligenz / Maschinelles Lernen ist vergleichbar mit einem Auszubildenden, dem man ein Buch in die Hand drückt, sodass er sich den Lernstoff selbst erarbeitet.
  • Deep Learning entspricht dem des Maschinellen Lernens. Der Unterschied ist aber, dass der Auszubildende in der Lage ist, aus seinen Fehlern zu lernen und sich kontinuierlich zu verbessern.

Im Fall von Künstlicher Intelligenz, Maschinellem Lernen und Deep Learning sind die Auszubildenden Maschinen und die Lehrbücher Daten. Bei der Künstlichen Intelligenz wird die Maschine mit einem endlosen Strom an Daten gefüttert. Beim Maschinellen Lernen und bei Deep Learning hingegen nutzt die Maschine externe Quellen wie das Internet oder Sensoren.

Stellt man die menschliche Intelligenz der Künstlichen Intelligenz gegenüber, wird ein grundlegender Aspekt schnell deutlich: War es schon immer fast unmöglich, menschliche Intelligenz klar und eindeutig zu definieren, so wird es spannend sein, ob dies jemals auch mit Künstlicher Intelligenz möglich sein wird. Fragt man heute 10 Forscher nach einer klaren Definition der menschlichen Intelligenz so erhält man im Zweifelsfall 10 unterschiedliche Definitionen. Wie will man dann, jetzt oder in 10 Jahren, Künstliche Intelligenz eindeutig definieren und wird es erforderlich sein, dann wieder neue (oder alt hergebrachte) Definitionen der menschlichen Intelligenz zu erforschen oder zu überdenken?

Die praxisbezogene Anwendung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist nun schon lange nicht mehr ein theoretischer Ausblick in die Zukunft, sondern wird bereits heute in der täglichen und praxisorientierten unternehmerischen Umgebung eingesetzt. Bereits jetzt können Softwarelösungen und Roboter lernen, selbst Aufgaben auszuführen und Entscheidungen zu treffen. Bestes Beispiel sind hier Applikationen, die bereits heute Entscheidungen im Bank- und Versicherungswesen treffen.

Ali Baba und die 40 Roboter

Bevor wir nun nachfolgend hier in diesem Beitrag die von der EU verabschiedeten ethischen Compliance-Richtlinien veröffentlichen, ein Praxisbeispiel, in welcher Richtung bzw. in welchem Umfeld und Kontext diese Leitlinien in der Zukunft Anwendung finden könnten.

Alibaba, in Europa vor allem als großer chinesischer E-Commerce-Anbieter bekannt, erhofft sich dank seiner eigenen und internen KI-Forschung und der Entwicklung eigener KI-Chips mehr Innovationen für sein Kerngeschäft. Was aber machen diese KI-Chips von Alibaba genau? Nun, schon hier beginnt eine mögliche (auch ethische) Gefahr und ein nicht abzuschätzendes Risiko, denn dies weiß nur und einzig das Unternehmen Alibaba selbst. Auch im Hinblick auf ethische Grenzen und mögliche Verletzungen gibt es hier keinerlei Hinweise oder Regelungen.

Eine installierte und bereits im normalen Geschäftsbetrieb laufende KI-Anwendung bei Alibaba vereinfacht die Arbeit der nationalen und internationalen Online-Händler auf der Plattform, indem es Texte und Inhalte von der KI allein und ohne menschliche Hilfe schreiben lässt. Die KI-Software kann pro Sekunde (!) 20.000 Zeilen Content produzieren. Händler können damit ihre Produktinformationen automatisch durch die KI generieren lassen, ohne dass ein Mensch diese Zeit investieren muss. Das Programm hat Millionen bereits vorhandener Inhalte auf den verschiedenen Alibaba-Plattformen analysiert und benutzt Deep-Learning-Modelle und Technologien zur Verarbeitung natürlicher Sprache, um Content zu produzieren.

Für die Nutzung des KI-Tools müssen Händler lediglich einen Link zu einer beliebigen Produktseite eingeben und können dann aus mehreren Beispielen die passende Vorlage auswählen. Alles weitere erstellt und geniert die KI selbst. Die Erstellung des Textes ist aber nur der erste Schritt der KI. Die Händler auf der Plattform können zum Beispiel auswählen, ob der Text ihrer Produktbeschreibung werblich, poetisch oder witzig klingen soll. Bereits heute nutzen nationale und internationale Unternehmen jedweder Branche und Größe auf den verschiedenen Alibaba-Handelsplattformen täglich das Tool und die KI im Schnitt fast eine Million Mal.

Alibaba bestätigt selbst, dass hierfür bereits bestehende Chips und Algorithmen aus externen Quellen genutzt werden und diese mit internen KI-Entwicklungen modifiziert werden. Einzig, das Ergebnis aus diesen Mutationen und die künstliche Weiterentwicklung wird wohl ein internes Geheimnis bleiben. Ob hier neben praxis- oder marketingorientierten Regelungen, auch ethische Grundsätze eine Rolle spielen, wird man wohl kaum erfahren.

Die Ethische Leitlinie der EU für KI und Compliance

Hier setzt die Überlegung der EU ein und es wurden durch eine internationale Kommission Ethische Leitlinien im Hinblick auf KI und Compliance entwickelt, die am 8. April 2019 veröffentlicht wurden.

In dieser Leitlinie verankert sind sieben Anforderungen, die nicht nur Vertrauen, sondern auch einen Kontrollmechanismus in und für KI schaffen sollen. Sie betreffen Anforderungen und Fragen nach der Kontrolle, der Sicherheit, dem Datenschutz, der Nichtdiskriminierung, der Nachhaltigkeit, der Verantwortlichkeit und der Transparenz der von KI genutzten Algorithmen.

Inhalte:

  1. Vorrang menschlichen Handelns und menschlicher Aufsicht: KI-Systeme sollten gerechten Gesellschaften dienen, indem sie das menschliche Handeln und die Wahrung der Grundrechte unterstützen; keinesfalls aber sollten sie die Autonomie der Menschen verringern, beschränken oder fehlleiten.
  2. Robustheit und Sicherheit: Eine vertrauenswürdige KI setzt Algorithmen voraus, die sicher, verlässlich und robust genug sind, um Fehler oder Unstimmigkeiten in allen Phasen des Lebenszyklus des KI-Systems zu bewältigen.
  3. Privatsphäre und Datenqualitätsmanagement: Die Bürgerinnen und Bürger sollten die volle Kontrolle über ihre eigenen Daten behalten und die sie betreffenden Daten sollten nicht dazu verwendet werden, sie zu schädigen oder zu diskriminieren.
  4. Transparenz: Die Rückverfolgbarkeit der KI-Systeme muss sichergestellt werden.
  5. Vielfalt, Nichtdiskriminierung und Fairness: KI-Systeme sollten dem gesamten Spektrum menschlicher Fähigkeiten, Fertigkeiten und Anforderungen Rechnung tragen und die Barrierefreiheit gewährleisten.
  6. Gesellschaftliches und ökologisches Wohlergehen: KI-Systeme sollten eingesetzt werden, um einen positiven sozialen Wandel sowie die Nachhaltigkeit und ökologische Verantwortlichkeit zu fördern.
  7. Rechenschaftspflicht: Es sollten Mechanismen geschaffen werden, die die Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht für KI-Systeme und deren Ergebnisse gewährleisten.

Nach der Verabschiedung dieser Richtlinien wird die EU-Kommission nun zu einem kurzfristigen Termin im Sommer 2019 eine Testphase beginnen. Ab sofort ist es für Unternehmen aller Branchen und Größen, öffentliche Einrichtungen, Verwaltungen und Organisationen möglich, der Europäischen KI-Allianz beizutreten Die Mitglieder der hochrangigen, von der EU beauftragten, Expertengruppe werden unterstützend tätig sein, die Leitlinien sowohl teilnehmenden Unternehmen als auch den relevanten Interessengruppen in den einzelnen Ländern vorzustellen und zu erläutern.

Ein wichtiges Ziel der EU-Kommission ist es, diesen Ansatz der KI-Ethik so schnell als möglich auf die internationale und globale Ebene zu bringen. Aus diesem Grund wird die Expertengruppe der EU die Zusammenarbeit mit Ländern wie Japan, Kanada oder Singapur verstärken und weiterhin eine aktive Rolle bei internationalen Diskussionen und Initiativen spielen. Parallel werden natürlich auch Unternehmen aus anderen Ländern und internationale Organisationen einbezogen.

Unternehmerische Risiken durch KI

Hintergrund der ethischen Regeln für KI im Compliancebereich der EU sind natürlich unternehmerische Risiken, welche sich durch den Einsatz und die Nutzung von KI im Unternehmen ergeben können. Nachfolgend einige grundlegende Risikofaktoren, die sich nicht nur durch die schon mögliche Nutzung von KI, sondern auch den zukünftigen Einsatz von immer mehr KI ergeben können:

Unterlegenheit des Menschen:
Ein mögliches Risiko, das gleichermaßen viele Menschen und Unternehmen fürchten, ist die Entwicklung einer „Superintelligenz“. Unter einer Superintelligenz versteht man eine Technologie, die sich selbst optimiert und dadurch vom Menschen unabhängig wird. Die Beziehung zwischen den Menschen und dieser superintelligenten Technik könnten problematisch werden – am Ende könnte der Mensch der Technik gar unterliegen. Eine vorsätzlich bösartige KI halten Forscher allerdings für nahezu ausgeschlossen. Ein tatsächliches Risiko sehen viele dagegen in einer künstlichen Intelligenz, die so kompetent ist, dass sich ihre Aktivitäten verselbstständigen – Aktivitäten, die dann für den Menschen schädlich werden könnten.

Abhängigkeit von der Technik:
Viele sehen die Risiken der KI nicht in einer generellen Unterlegenheit, sondern in einer wachsenden Abhängigkeit des Menschen von technologischen Systemen. In der medizinischen Versorgung etwa, wo der Einsatz von Pflegerobotern bereits getestet wird, macht sich der Mensch zunehmend zum überwachten Objekt technischer Systeme. Dabei laufe er Gefahr, ein Stück seiner Privatheit und Selbstbestimmung aufzugeben. Nicht nur für die Medizin werden diese Bedenken geäußert, sondern auch in Bezug auf KI-gestützte Anwendungen im Bank- und Versicherungswesen, bei der Videoüberwachung oder intelligente Algorithmen im Netz.

Datenschutz und Machtverteilung:
Intelligente Algorithmen können die wachsenden Datensätze immer effizienter verarbeiten. Vor allem für den Internethandel ist dies zunächst eine positive Nachricht. Doch die Weiterverarbeitung von Daten durch KI-Technologien wird für Verbraucher immer schwerer nachzuvollziehen und zu überwachen. Stattdessen haben Unternehmen und Experten mit dem entsprechenden technischen Know-how die alleinige Kontrolle.

Beeinflussung von Meinungsbildung:
Als weiteres Risiko könnten KI-Technologien öffentliche Meinungen auch gezielt lenken. Anlass für diese Bedenken bieten Technologien, die ihre Nutzer bis ins Detail kennen, oder der Einsatz von Social Bots, die die öffentliche Haltung beeinflussen. Bei wachsender Intelligenz dieser Techniken wird das Risiko einer Meinungsbeeinflussung immer höher. Dies wiederrum kann sich im Hinblick auf Rufschädigung oder Instrumentarien aus dem Bereich Marketing katastrophal auf ein Unternehmen auswirken, welches zum Beispiel von massiven „Fake-News“ angegriffen wird.

Arbeitsmarkt:
Die diskutierten Risiken von KI auf dem Arbeitsmarkt betreffen vor allem den Abbau von Arbeitsplätzen. Skeptiker befürchten, dass KI-Technik den Menschen zunehmend überflüssig machen könnte, ob nun durch den Putzroboter, den Pflegeroboter oder durch selbstnavigierende Transportsysteme. In der Medizinethik wird derzeit der Einsatz von Pflegerobotern kontrovers diskutiert. Die Befürchtung: Die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen durch Roboter führt zu einer sozialen Kälte. Gleiches gilt für den Einsatz von KI gestützter Software, zum Beispiel im Bank-, Rechnungs- oder Versicherungswesen.

Diskriminierende Algorithmen:
Künstliche Technik liefert im Vergleich zum Menschen oft neutralere Ergebnisse – einer der vielen Vorteile künstlicher Intelligenz. Doch immer wieder zeigt KI-Technik auch Voreingenommenheit gegenüber Geschlecht oder Herkunft von Personen: Microsofts Chatbot Tay etwa imitierte innerhalb kürzester Zeit rassistische Sprache, Sicherheitstechnologien stufen „black neighbourhoods“ eher als Problembezirke ein und Werbeplattformen schalten bei männlichen Usern höher bezahlte Jobangebote. Das Problem ist schon länger bekannt und das British Standards Institute hat daher ethische Guidelines für Roboter herausgegeben. Doch lassen sich diese technisch nur schwer umsetzen – schließlich lernt die KI selbstständig aus ihrer Umwelt anhand von Lernprozessen, die von einzelnen Menschen nur begrenzt beeinflusst werden können.

Ausblick IT-Compliance Officer

Genau hier liegt eines der großen Hauptprobleme von und mit Künstlicher Intelligenz. Die Maschine lernt bereits heute in großen Teilen von und für sich selbst. Inwieweit der Mensch hier als Lehrer fungiert, ist bereits heute nicht mehr klar und eindeutig zu definieren.

All diese Risiken, die auf ein Unternehmen gleich welcher Größe und Branche zukommen werden, sind nicht nur eine Frage der Technik, der Hardware, der Software oder der Ethik. Gerade die Compliance im Unternehmen, die Umsetzung von Compliance-Regeln und die eventuelle Anpassung oder Aktualisierung des momentan verabschiedeten Compliance Management Systems (CMS) müssen auf der internen Agenda der Wichtigkeit für das Unternehmen auf höchster Priorität stehen.

Eine Herausforderung für jeden bereits tätigen oder zukünftigen Compliance Officer oder Chief Compliance Officer im Unternehmen und gleichermaßen die interne Beurteilung der Notwendigkeit, zum Beispiel durch die zusätzliche Position und Integration eines IT-Compliance Officers im Unternehmen, diesen Gefahren nachhaltig entgegenzutreten und sich vor diesen neuen Risiken zu schützen.

Epilog:

„Die größte Gefahr von künstlicher Intelligenz ist, dass die Menschen viel zu früh denken, dass sie KI verstanden haben.“
Eliezer Shlomo Yudkowsky (* 11. September 1979), amerikanischer Forscher und Autor. Er beschäftigt sich mit Entscheidungstheorie und den langfristigen sozialen und philosophischen Folgen der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz.

Quellenangaben:

Ethikleitlinien für KI / Europäische Union, Brüssel / 2019
High-Level Expert Group on Artificial Intelligence / European Commission, Brüssel / 2019
Studie: Künstliche Intelligenz in Unternehmen / PWC PricewaterhouseCoopers GmbH / 2019
Alibaba: KI fügt für die Händler Produktinformationen ein / Onlinehändler-News / 2018
Künstliche Intelligenz: Anwendungen, Projekte, Trends / Industry of Things / 2018
Faszination KI: Was ist künstliche Intelligenz? / Digital Guide IONOS / 2018
Der Unterschied zwischen Künstlicher Intelligenz, Maschinelles Learning und Deep Learning / Coresystems / 2018